Oracoli (German Edition)
Familien, denen es ähnlich ergeht.«
»Was hat das alles mit der Zobiak zu tun?«
»Sie hat schon einige, sehr talentierte Vietnamesen in London und New York ausgestellt und verdient nicht schlecht dabei. Die Vitten, wie Zobiak sie liebevoll nennt, wissen natürlich nichts von ihrem Erfolg, den verbucht sie nur für sich selber und ihre Namensgeber. Sie verbietet den Vietnamesen, die Gemälde zu signieren, stattdessen bekommen die Bilder später so edle Namen, wie zum Beispiel; Ulrich von Uhlendorf.« Magnus staunte nicht schlecht. »Uhlendorf ist in Wirklichkeit ein Vietnamese?«
»Nicht nur. Nur die erfolgreichen Bilder von Uhlendorf sind von einem Vietnamesen gemalt worden.«
»Du meinst also, die Zobiak verdient sich mit Leuten wie Uhlendorf eine goldene Nase, während sie die wahren Schöpfer der Werke so kurz hält, dass sie gerade mal überleben können.«
»So könnte man es ausdrücken, ja.«
Magnus war angewidert. Er nahm sich vor, Cora nichts davon zu erzählen, er wollte ihren Hass auf Sonja Zobiak nicht noch mehr schüren. »Ariel, wenn Du die Hexe soweit bearbeitest hast, wie soll ich dann vor ihr auftreten?« Ariel dachte nach. »Du musst Dich verkleiden.«
»Als was? Wie soll ich aussehen?«
»Naiv. Du musst verdammt naiv aussehen, wenn Du ihr unwissend diesen Schatz verscherbeln willst. Aber sei nicht zu naiv, suche Dir eine Mitte, sonst frisst sie Dich mit Haut und Haaren«, sagte Ariel, der sich vorstellte, wie er von ihr gefressen wird und daraufhin laut loslachte. Sein, für ihn typisches, außergewöhnliches Lachen.
Sonja Zobiak betrachtete eingehend die Fotos, die ihr Ariel mitgebracht hat. Es war Mittagpause und die Galerie hatte noch bis 14 Uhr geschlossen. Ariel sah sich die Kunstwerke an, welche die Galeristin gerade in einem, extra für Vernissagen hergerichteten, Raum ausstellte. Er bemerkte zwar, dass sie ihm nach drei Minuten gefolgt war und jetzt hinter ihm stand, doch hielt er seinen Blick konstant auf die Exponate gerichtet. Er spürte auch, dass sie angebissen hatte. »Und die hat Ihr Herr Gilbert auf dem Dachboden gefunden? Was will er dafür haben, Herr Sticht?« Er drehte sich zu ihr um und schaute gequält an ihr vorbei. »Das ist ja mein Problem, Frau Zobiak, dieser Trottel verlangt nur 25.000 Euro dafür, aber die habe ich leider nicht.«
»Wenn Sie deshalb vorbei gekommen sind … ich kann Ihnen das Geld nicht borgen.«
»Nein, nein. Ich möchte Ihnen einen Deal vorschlagen.«
»Ich höre.«
»Es ist ganz einfach … für 5.000 bring' ich Ihnen den Gilbert.«
Sie schaute sich noch mal intensiv die Fotos an. »Zehn Vorstudien von Grünewald, sagen Sie, ich sehe nur fünf …«
»Originalstudien, hoahahaha, hm, ja, die anderen Fotos waren noch nicht fertig …«
›Gleich quengelt sie‹, dachte Ariel. ›Ihre Art zu handeln fängt immer mit Gejammer an.‹ Sonja hielt sich mit einer Hand das Kinn, ihr Gesicht machte den Eindruck, als hätte sie Zahnschmerzen. »Was das wieder kosten wird … hm … hm. Sie alle denken, dass sich Kunst von ganz alleine verkauft, aber so einfach ist das heutzutage nicht … hm …« Ariel rieb sich im Geiste die Hände. »Dann kommt noch die Steuer hinzu … die Expertise … der Katalog für die Auktion druckt sich auch nicht von selber … und das Risiko überhaupt – ich gebe Ihnen 1.000 Euro, Herr Sticht.« Er hatte sie am Haken, die Hexe hat angebissen, freute sich Ariel und sagte: »Auf Wiedersehen, Frau Zobiak«, nahm ihr die Fotos aus der Hand und … »Warten Sie … äh … ich zahle Ihnen 2.000.«
»3.000«
»2.500«
Ariel grinste die Galeristin schlitzohrig an. Er machte die obligatorische Pause. Dann gab er ihr die Hand. »Wie soll ich mich nur Ihres Charmes erwehren, gnädige Frau, hoahahaha.« Sonja Zobiak lachte nicht. Sie ging zur Registrierkasse und holte ihm die erste Hälfte des Geldes. »Wann kommt der Mann?«
»Spätestens morgen.«
»Okay, den Rest gebe ich Ihnen dann morgen.« Widerwillig händigte sie ihm das Geld aus.
»Ich kann mich darauf verlassen?«
»Hoahahaha, habe ich Sie jemals enttäuscht, gnädige Frau?«, sagte Ariel, der ahnte, dass dieses wohl das letzte Geschäft mit der Galeristin sein würde. Er bedauerte es nicht.
Am Tage darauf betrat Magnus das Ladenlokal. Er hatte eine Baseballkappe auf dem Kopf und die alte Hornbrille seines verstorbenen Vaters auf der Nase, des
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