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Orangenmond

Orangenmond

Titel: Orangenmond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefanie Gerstenberger
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frühen Abend gönnte Eva sich eine Freiluftdusche. Aus dem übrig gebliebenen Rohr im Stein pladderte der warme Strahl wie ein kleiner Wasserfall, sie schaute hoch in die breiten Astgabelungen des nahe stehenden Olivenbaums und durch seine silbrig grünen Blätter. Es war so wundervoll friedlich, selbst die abgefallenen nassen Oleanderblüten zu ihren Füßen bildeten ein hübsches Muster. Sie spürte ein Glücksgefühl in sich hochsteigen, einfach weil die Sonne vor ihr zwischen den Bäumen unterging und sie jetzt auf diesen glatten Steinen unter dem sauberen Strahl stand. Sie griff in die kleine Nische, die Mimmo in die Wand eingelassen hatte, und hielt inne. Eine winzige Eidechse saß auf dem Deckel der Shampooflasche, die kralligen Füßchen noch ganz weich, und schaute sie mit wachem Blick an. Wir sind am Leben, du und ich, schien sie zu sagen. Du erlebst das hier, diesen Augenblick, du bist nicht Milena, wie gerecht oder ungerecht dir das auch sonst vorkommt.
    »Okay, verstanden, aber darf ich jetzt mal?«, fragte sie nach paar Sekunden, die Mini-Echse huschte davon. Eva seifte sich ein und sah den Schaumschlieren hinterher, die an ihrem Körper herabliefen. Die hellen Abdrücke des Bade anzugs ließen das Braun ihrer Schultern aufschimmern, ihr Busen war klein und hing nicht, noch nicht, sie strich über ihren Hintern, der war rund, wie sich das bei einer Frau gehörte, selbst ihre Oberschenkel waren, nun ja, akzeptabel. Dankbar und froh sein, Eva, und ab und zu ein bisschen mehr Demut zeigen, nahm sie sich vor.
    Ein paar Momente funktionierte das, doch schon zog eine dunkle Wolke in ihrem Kopf auf. Jetzt, wo alles schon fast wieder wie früher war, fiel Milenas Abwesenheit erst richtig auf. Alle, selbst Helga, hatten geputzt und vorbereitet, nun konnte sie kommen, wie früher als Letzte eintreffen, mit einer Tasche voller Geschenke aus dem Duty-free-Shop und abenteuerlichen Episoden vom Drehen im Kopf. Aber sie würde nicht kommen, niemals mehr!
    Eva weinte inmitten des Wassers, das auf ihren Scheitel trommelte und über ihr Gesicht lief. Sie würde Milli nie mehr mit Emil kuscheln sehen, nie mehr neidisch auf die ausgebreiteten Arme ihrer Schwester schauen, in die er sich lachend warf. Unfassbar, dass sie das immer noch nicht kapiert hatte. Wie viele Jahre sollte das denn noch dauern?
    Und gleichzeitig wäre sie heute Morgen so gern zu Georg unter das Moskitonetz geschlüpft. Sie wünschte, dass er sie so nackt wie in diesem Moment sähe, ihre Brüste streichelte, wie sie es gerade tat. »Verzeih mir, verzeih mir«, murmelte sie immer wieder. Alles war falsch.
    Als sie sich zu ihrem Handtuch bückte, das neben den Oleanderbüschen auf einem trockenen Stück Stein lag, fühlte sie es unter ihrem Fuß kurz zappeln. Sie hob ihn mit einem Aufschrei an. Die kleine Eidechse klebte regungslos unter ihrer Sohle.

 
    26
    In der Pizzeria am Hafen von Villanova bekamen sie den letzten Tisch, direkt neben dem Geländer zum Wasser. Die Boote dümpelten leicht und zogen an ihren Vertäuungen, drei Kellner waren um sie herum, brachten weitere Gläser, die Speisenkarten wurden auf den Tisch geknallt.
    Georg hat diesmal nicht seine Kamera dabei, dachte Eva erleichtert und suchte sich eine panzerotti aus, eine spezielle apulische zusammengeklappte Pizza, die hier im Mai vor fünf Jahren noch hervorragend geschmeckt hatte.
    »Kann ich, bis das Essen kommt, an den Booten entlanglaufen? Oma, kommst du mit?«, fragte Emil.
    Helga seufzte und erhob sich. »Ich hoffe, dass das, was hier so fischig riecht, aus dem Wasser kommt und nicht aus der Küche.«
    »An einem Hafen riecht es immer … Ach!« Georg winkte ab. »Pass aber auf!«, rief er ihnen hinterher, und Eva wusste nicht genau, wen er mit seiner Ermahnung meinte.
    Das Bier stand sehr schnell auf ihrem Tisch. Überhaupt schienen die Kellner es eilig zu haben, sie wieder loszuwerden. Sie schauten ihnen nicht ins Gesicht, sondern hielten mit irgendwem im Hintergrund Kontakt, tippten die Bestellungen in eine Art Taschenrechner und rannten wieder davon.
    »Drei Tage noch«, sagte Eva. »Ich muss mich so langsam mal um einen Flug kümmern.«
    »Und ich muss mich bei dir entschuldigen«, sagte Georg und hielt seine Bierflasche hoch. Sie stießen an.
    »Wofür?«
    »Für meinen Alleingang gestern, ich dachte, je schneller wir es hinter uns bringen …«
    »Wir waren alle fertig mit den Nerven. Und Emil hat uns gezeigt, was gut für uns ist.« Das Bier rann so kalt und prickelnd

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