Orangenmond
dass ich aus Versehen das italienische Internet lahmlege oder lösche oder so.« Eva öffnete ratlos den Mund. »War nur ein Witz!«, lachte Helga, bevor Eva etwas erwidern konnte. »Ich bin zwar ein etwas reiferer Jahrgang, aber nicht völlig bescheuert. Ich surfe tagelang im Netz, habe ja meinen Blog, der demnächst, mit ein bisschen Glück, als Buch veröffentlicht wird. Kennst du meinen Blog überhaupt?«
»Nein, aber ich schaue heute Abend gleich mal rein!«, versprach Eva.
Helga kicherte mädchenhaft. »Kein vorteilhaftes Kleid übrigens. Bei aller Liebe, Schätzchen. Leinen knittert am Körper und bis ins Gesicht.« Dann sackte ihre Tonlage zwei Stufen tiefer: »Schwarz macht sowieso alt.«
»Echt?« Eva drehte sich um, nahm ihre hochhackigen, aber leider etwas unpraktischen Holzsandalen in die Hand, die sie für viel Geld in einem Hamburger Schuhladen erstanden hatte, und stapfte über den breiten Strand auf Emil und Georg zu. Knittert bis ins Gesicht! Tsss! Warum hatte sich Milena eigentlich so gut mit Helga verstanden?, fragte sie sich wie schon so oft zuvor. In den ersten Jahren weniger. Nach Helgas unrühmlichem Auftritt bei der Hochzeit tendierte die Schwiegermutter-Toleranz bei ihrer Schwester gegen null. Aber später? Eine liebevoll-nachsichtige Milena traf auf eine mütterlich-verträgliche Helga. Eva schüttelte den Kopf. Unbegreiflich.
Fünf Uhr nachmittags, an einem warmen Tag Mitte Juni. Obwohl noch keine Hauptsaison, waren alle Liegen besetzt, die passenden Sonnenschirme standen ordentlich aus gerichtet daneben und ließen ihre Fransen im Wind flattern. Jede Familie hatte ihren kleinen Haushalt um sich herum aufgebaut. Klappstühle, Kühlboxen, ein Miniplanschbecken fürs Baby. Pärchen cremten sich träge gegenseitig ein. Kinder hockten versunken vor Sandeimern und schaufelten. Sportliche Paare strampelten sich im Partnerlook auf dem roten Fahrradweg ab, der sich kilometerlang am Zaun entlangzog. Der war neu.
Emil und zwei andere Jungen kickten sich abwechselnd einen Ball zu. Georg stand mit den Füßen im Wasser und beobachtete sie. Als er Eva sah, ging er ihr entgegen. »Emil!«, rief er. Emil stoppte mitten im Lauf. »Du bleibst hier, genau hier, gehst nicht ins Wasser, gehst nirgendwo anders hin, verstanden?!«
»Okay!«
»Kann ich mich darauf verlassen?« Georg starrte ihm beschwörend in die Augen, und Emil nickte ernst, bevor er dem Ball wieder hinterherlief.
»So«, sagte Georg knapp. »Erzähl! Auf diesem Platz habt ihr also eure Ferien verbracht …« Sie gingen auf den Eingang des Restaurants zu, dessen gemauerte Veranda an den Strand grenzte.
»Das war damals nur eine Pizzabude, und die Bungalows gab es auch alle nicht.« Eva schaute sich um. Der Mini market kam ihr größer vor als früher. Der Kickertisch hingegen kleiner.
»Habt ihr daran gespielt?«, fragte Georg und zog an den gelben Griffen.
»Ja, Milena war sehr gut darin, sie nahm wenige Dinge wirklich ernst. Tischfußball gehörte definitiv dazu. Sie drehte die Dinger nicht, so wie ich, sondern spielte richtig, sie hat mich immer besiegt.«
»Das musst du Emil erzählen.« Seine Begeisterung klang nicht echt.
»Lass uns zu den Stellplätzen gehen.« Sie gingen zwischen den Wohnwagen umher, sahen silberne Vorzelte, zusammen klappbare Essecken, manchmal sogar mit einer Topfpflanze dekoriert, dann wieder der neueste Protz und Camping-Hightech. Auf dem eigentlichen Zeltplatz war nicht viel los. Einige Zelt-Iglus standen unter den spärlichen Bäumen, bunte Tupfen zwischen leeren Grasparzellen.
»Und hier hat es euch gefallen?!«
»Ich fand es immer toll, es war unsere Kindheit, jeden Sommer vertrauter, fast Heimat. Diese Bungalows gab es früher alle nicht. Findest du es schrecklich? Du findest es schrecklich!«
»Nein, nein.«
Eva verfolgte Georgs abschätzigen Blick auf den durchnummerierten Carport und die dicht am Platz vorbeiführenden Eisenbahngleise.
Sie gingen an den Waschhäusern vorbei, Frauen in Jogginghosen kamen ihnen mit Plastikwannen voller Geschirr oder nassen Wäschebergen entgegen. Eva lächelte ihnen zu. Alles wie damals. Georg blieb stehen, um die Verbotsschilder über den Außenwaschbecken zu lesen. Keine Muscheln in den Waschbecken putzen, keinen Fisch, keine Autos, keine Boote, keine Zeltplanen waschen. Für alles ein Extraschild. Die Direktion.
»Früher waren die wenigstens noch herrlich falsch geschrieben«, sagte Eva entschuldigend.
Sie ließen den Torbogen hinter sich, über den
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