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Orangenmond

Orangenmond

Titel: Orangenmond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefanie Gerstenberger
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kratzig gemacht.
    »Selbst in diesem Moment war der Laden wichtiger als wir. Erst ein paar Tage später schien es ihnen zu dämmern, dass Milena in Lebensgefahr geschwebt hatte. Mir, als der Älteren, gab man mehr Schuld daran als ihr. Sie musste nach drei Wochen erst einmal wieder das Laufen lernen und wurde geschont.«
    »Ich weiß, dass man nichts gegen die Familie des anderen sagen sollte, wenn man sich keine Feinde machen will, aber eure Eltern sind echt speziell. Sie kamen mir schon immer so abgetrennt von allen Gefühlen vor. Als ob ihr nur zwei Schweinchen im Stall wart, die es zu versorgen galt, bis sie das richtige Gewicht erreicht haben.«
    »Und das Versorgen hat auch noch Tante Enni übernommen. Sehr liebevoll sogar. Bei der waren wir keine Schweinchen. Eher Fohlen oder Elfen.«
    »Ich weiß, Milena hat viel von ihr erzählt.«
    Evas Blick huschte über sein Gesicht. Seine Augen waren viel klarer als noch vor ein paar Tagen, der Mund endlich ohne Stoppeln ringsherum, Wangen und Nasenrücken hatten etwas Emilia-Romagna-Sonnenbräune eingefangen.
    »Apropos nichts gegen die Familie des anderen sagen, was ist eigentlich mit Helga, wie viel hast du ihr erzählt? Was glaubt sie eigentlich, was wir hier tun?«
    »Urlaub machen, eine kleine Milena-Gedächtnis-Reise, irgendwie so was. Sie hört ja doch nicht wirklich zu.« Er grinste und zeigte zum Auto, dem sie sich langsam näherten.
    Alle vier Türen plus Heckklappe standen offen, Helga hockte barfuß im Lotussitz auf der Motorhaube, sie hatte einen weißhaarigen Radfahrer in den Bann gezogen, der sich hinter dem Zaun auf dem Fahrradweg begierig über den Lenker beugte, um keines ihrer Worte zu verpassen.
    »Wie gut, dass mir mögliche Dellen in meiner Karre egal sind«, raunte Georg und blieb stehen. »Oder wolltest du wissen, warum ich sie überhaupt mitgenommen habe?«
    »Als Aufpasserin für Emil ja wohl kaum!«
    »Sie hat mit Kurt gestritten, erst einmal um Geld, aber das war nicht der Grund, weswegen er einfach weggefahren ist. Er hat mir am Telefon erzählt, dass sie gar nicht erwähnt hätte, dass Emil für zehn Tage mitkommt. Glaubte ich ihm sofort! Und dass Helga ihr Leben immer auf Kosten anderer leben würde. Na ja, nichts, was man gern über seine Mutter hören möchte. Aber Helga war ziemlich fertig, ich habe sie noch nie so geknickt gesehen. Sie hat manchmal so Phasen, da sollte sie nicht alleine sein. Die wechseln allerdings auch schnell wieder mit höchster Euphorie ab. Als sie mich bat, sie nach Italien mitzunehmen, konnte ich einfach nicht Nein sagen. In Rom hat sie eine Verabredung, keine Ahnung, ob das ihr ominöser Verleger ist. Wir werden sie jedenfalls spätestens morgen in den Zug setzen.«
    Georgs Ruhe, seine coole Bestimmtheit gefiel Eva. »Ich hätte sie schon längst wie meine eigenen Eltern mit Ächtung durch Schweigen belegt«, sagte sie. »Wie hältst du das nur aus?«
    »Ich kenne sie nicht anders, und was ich ihr hoch anrechne: Sie hat mich nie alleine gelassen, hat mich immer überallhin mitgeschleppt. Sie hat mich nicht einfach bei ihren Eltern in München geparkt, obwohl die ihr das oft angeboten haben. Helga wollte ihr Kind bei sich haben!« Er lachte erleichtert. »Heute, wo ich Emil habe, kann ich das natürlich noch viel besser verstehen. Aber jetzt guck sie dir an!« Drei weitere männliche Radfahrer, alle in engen Radlerhosen, waren zu Helgas weißhaarigem Bewunderer gestoßen und hörten ihr zu.
    »Was erzählt sie ihnen bloß?«
    »Holen wir sie da runter!«, seufzte Georg.

 
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    Der Fischladen sah von außen noch genauso aus wie früher. Hier hatte Evas Mutter Miesmuscheln gekauft. Wenn keine vorrätig waren, hatte Sergio ihr die Dinger in handliche Kilonetze verpackt auf den Campingplatz gebracht. Auf Ita lienisch hießen sie noch unappetitlicher als auf Deutsch. Eva weigerte sich bis heute, etwas zu essen, was als cozze auf der Karte stand.
    »Ihr bleibt bitte kurz sitzen, wir wollen nur schauen, ob ein alter Freund von Eva dort hinter dem Tresen steht.«
    »Bringst du mir eine Fanta mit?«
    »Wir gehen gleich in die Stadt, einen Aperitif nehmen, und später gehen wir essen, dann bekommst du deine Fanta, Emil!« Emil schaute enttäuscht. Er langweilte sich inmitten der Erwachsenen.
    »Wir können uns auch noch Rossinis Denkmal anschauen oder an die Promenade gehen. Da gibt es einen Brunnen mit einer großen Weltkugel, von der das Wasser hinunterläuft, die fanden wir als Kinder so toll, wir wollten sie immer

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