Orangenmond
Sandaletten auf den Sesseln und Sofas.
Wohlhabende Italiener eben, dachte Eva, die sind immer passend angezogen.
»Meine Freunde«, stellte Sergio kurzerhand vor, »geht, nehmt euch etwas zu trinken und zu essen. Signora , da vorne können Sie sich setzen, ich komme gleich wieder, muss den Fisch fertig machen.« Er verschwand im Haus.
Georg hielt Eva am Arm fest. »Allora?« Eva nutzte die Gelegenheit und packte seinen anderen Arm. Sie mussten komisch aussehen, wie sie sich so aneinanderklammerten.
»Wie geht es jetzt weiter?«, fragte Eva. »Soll ich ihn direkt fragen, oder willst du Gläser klauen gehen?«
»Emil hat sich schon angefreundet, schau mal!«, sagte Georg. Eva sah, wie Emil von zwei jüngeren Kindern in die Mitte genommen wurde. Das mussten Sergios Zwillinge sein. Sie hatten beide unverkennbar seine aufstrebende, an der Spitze etwas platte Nase geerbt. Georg seufzte. »Seine Halbgeschwister? Was denkst du? Könnte doch sein?«
Eva zuckte mit den Schultern. »Das wissen wir noch nicht. Ich gehe rein und versuche ihn auszufragen. Und du passt auf Helga auf!« Helga stand bereits mit einem Glas Wein in der Hand am Grill, umringt von drei Männern, und lachte ihr teures Zahnlachen.
Im Haus war es dunkel, Eva durchquerte den Salon, sie registrierte breite Holzdielen, weiß gestrichene Stühle um einen herrlich altersschwach aussehenden Esstisch und ein gemütliches Sofa vor dem Kamin. Sie ging weiter, suchte die Küche. Wasser rauschte, sie schaute durch die nächste Türöffnung, da stand Sergio und wusch Fisch. Eine junge Frau stand hinter ihm und nahm blitzschnell die Hände von seiner Gürtelschnalle, als sie Eva sah.
»Ciao«, sagte Sergio hastig, »wenn du einen Augenblick wartest, kannst du die Seebarben mit rausnehmen!«
Eva tat so, als habe sie ihn nicht verstanden. Sie lächelte, sagte, »una bella casa!«, und blieb nach diesem Kompliment für das Haus einfach stehen.
»Vielleicht kannst du das auch machen, eh, Barbara!?« Barbara verzog den Mund, verengte ihre schwarz umflorten Rehaugen, als sie Eva musterte, nahm aber dann den Teller und ging hinaus. Seine Ehefrau ist das schon mal nicht, dachte Eva. »Sollen die auf den Grill?!«
Sergio nickte, während er ein paar große Tintenfische mit einem schmatzenden Geräusch aus einer Tüte auf den nächsten Teller gleiten ließ. »Es gibt auch ein herrliches Rezept, wo man sie mit gekochtem, passiertem Kalbfleisch füllt und dann in einem sugo aus Tomaten und Kräutern gar ziehen lässt, meine Mutter macht das oft. Aber heute kommen sie aufs Feuer!«
Eva betrachtete die braun-weißen Körper. Mit ihren seelenlosen Augen und den kleinen ausgefransten Tentakeln, die leblos herabbaumelten, waren sie die perfekte Vorlage für jeden Alien-Film.
»Doch zuerst blanchiere ich sie, einen Moment in kochendes Wasser, verstehst du?«
»Wie geht es dir? Wie gefällt dir dein Leben?«, fragte Eva statt zu antworten und machte eine alles einschließende Rundumbewegung mit ihrer Hand: Haus, Garten, Freunde, inklusive eines jungen Mädchens, höchstens zweiundzwanzig, das ihm in seiner Küche am Gürtel herumnestelte.
»Ah, das ist die Äwa von früher, immer sofort in die Tiefe gehen. Warum seid ihr Deutschen eigentlich alle so ernst und philosophisch?«
Sind wir gar nicht, dachte Eva. Wenn du wüsstest, wie wenig philosophisch wir sind, allen voran ich. Ohne zu lächeln, wartete sie auf seine Antwort. Sergio nahm einen Alien-Körper nach dem anderen in die Hände und wusch ihn unter dem laufenden Wasser.
»Weißt du«, sagte er endlich, »ich bin zufrieden mit dem, was ist. Na ja, ich bin ruhiger geworden, habe jetzt Ehefrau und Kinder, die liebe ich natürlich – meine Kinder liebe ich ohne Ende. Ich war früher anders drauf, die Jahre sind nun mal vorbei, obwohl ich mich heute immer noch verrückt wie zweiundzwanzig fühle, hier drin.« Er tippte sich an die Stirn.
Wäre ich nicht draufgekommen, antwortete Eva im Stillen.
»Manchmal vermisse ich die alten Zeiten.«
»Warum?« Eva schaute ihn ungläubig an. Sie hatte sich in ihrer Pubertät schrecklich gefühlt und war froh, nicht mehr sechzehn oder siebzehn sein zu müssen.
»Ach, wir waren so frei, und es war immer so viel los. Wir haben Party gemacht, mit allen, jeder wusste, was der andere gerade trieb und so. Es gab da so Wettbewerbe im Sommer in Rimini und Riccione, wer die meisten Mädchen kriegen kann. Il grande trombatore . O Mann, wir haben sie echt gezählt, Nacht für Nacht. Und um
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