Orangenmond
der Via dei Fori Imperiali wälzten. Alle paar Meter verharrte ein Tutanchamun im Goldkostüm oder ein silbern angesprüh ter Zylindermann bewegungslos in der Menge, vor sich jeweils ein Kästchen für Münzen. Junge Männer in der Ausrüstung der Legionäre ließen sich mit ihren roten Umhängen und silbernen Helmen für Geld mit den Touristen fotografieren.
»Die sehen aus wie bei Asterix und Obelix«, sagte Emil, »aber sie haben nicht die richtigen Sandalen!« Er schlug einen Bogen um einen Legionär, der ihm die Hand geben wollte.
An der Trajanssäule vorbei gingen sie über die Piazza Foro Traiano, Eva bekam schon Kopfschmerzen, doch da bog Georg in eine kleine Straße ein, und plötzlich war die schiebende Masse der Touristen verschwunden.
»Ich glaube, das ist das Viertel, wo die ganzen Künstler ihre Ateliers haben«, sagte er und zog Eva auf die Seite, um einem fahrenden Blumenhändler Platz zu machen. Leider ließ er ihre Hand wieder los, weil er ein verrostetes Grillöfchen aus Blech näher anschauen musste, das neben einem Mülleimer stand.
»Für den Balkon?!« Er hob es hoch. »Ist doch witzig, oder? Vier Würstchen passen da drauf. Hier: Man kann ein richtiges kleines Feuerchen darin machen!«
»Papa, was hast du da?« Emil kam zurück. »Hast du das im Müll gefunden?«, fragte er streng. »Mir sagst du immer, ich darf so was nicht anfassen!«
»Ich tue ihn ja schon weg.« Georg stellte das Öfchen wieder hin und klopfte sich den Rost von den Händen. »Weißt du noch, unser Grillplatz am Trullo?«, fragte er leise. »Und die eiserne Schale zum Feuermachen? Das war immer schön!«
»Die Schale! Die habe ich ganz vergessen!« Sie fasste ihn kurz am Arm. »Ich kann mir das alles kaum mehr vorstellen. Mimmo habe ich zwar sofort angerufen, als du mich gefragt hast, ob ich mitkomme, allerdings ist das schon wieder eine Weile her. Ich hoffe, er hat sich um den Trullo gekümmert, wie ich ihm gesagt habe. Meinst du, ich sollte ihn noch einmal dran erinnern, dass wir kommen?«
»Wäre vielleicht besser. Wie ich den kenne, hat der das doch schon wieder vergessen.«
»Ist das nicht zu deutsch und nörgelig?«
»Nein! Warum denn? Wir waren fünf Jahre nicht da! Er hat doch noch die Schlüssel, oder?«
Eva nickte. »Ja sicher, für alles, auch für das hintere Tor, dort musste er ja all die Jahre mit den Wagen rein, für die Ernte und um die Bäume zu beschneiden. Wie es inzwischen da wohl aussieht?«
»Wahrscheinlich ziemlich zugewachsen. Die Oleander hinten an der Außendusche müssten riesig sein und mittlerweile einen ordentlichen Sichtschutz geben. Weißt du was? Ich freue mich darauf. Ich habe das Gefühl, endlich aufzuräumen, wenn wir den Trullo und das Grundstück verkaufen. Wie ein völlig zugerümpelter Kellerraum, in den man sich jahrelang nicht hinuntertraut. Hat man es dann hinter sich, fühlt man sich erleichtert und wahnsinnig zufrieden.«
»Wir müssen einen Makler beauftragen.«
»Und du hast dir bestimmt auch schon Gedanken gemacht, welchen.«
»Nein. Aber vielleicht wäre es schlauer, von mehreren den Wert schätzen zu lassen statt nur von einem einzigen.«
»Gute Idee.« Sie gingen eine Weile schweigend nebeneinander bergan, kleine Läden mit Antiquitäten, Kleidern und Schmuck säumten die Straße. Vor manchen Bars standen Tische, an denen ab und an sogar ein paar Einheimische saßen.
»Ich frage mich, ob die Sachen in den Plastikkisten noch zu irgendwas zu gebrauchen sind«, fing Eva wieder an.
»Die Spiele und die CDs bestimmt.«
»Alles, was nur ein bisschen dreckig war, wuchs immer weiter, weißt du noch? Deine Machete mit dem Holzgriff? Total verschimmelt. Und die Lederschuhe in der Kiste zwi schen dem anderen Zeug? Baah, wir mussten alles weg schmeißen.«
»Irgendwann hatten wir den Dreh raus. Zwischen die Laken, Decken und Handtücher hat Milena immer kleine Netze mit Duftkugeln gesteckt.«
Seine Stimme erstarb. Eva wusste, er dachte an Milenas Hände, die diese Sachen eingepackt hatten, bevor sie den Trullo im Sommer vor fünf Jahren das letzte Mal in ihrem Leben winterfest gemacht hatte.
»O Gott. Und das Spielzeug von Emil, die Autos und der ganze Plastikkinderkram. Da war er noch so klein. Vielleicht ist der Vergleich mit dem Kellerraum doch nicht so gelungen …« Auch Eva wurde ganz anders, wenn sie an die Kisten dachte. »Vielleicht sollten wir lieber alles unbesehen verkaufen.«
»Nein, das kann ich Emil nicht antun!«
Eva stöhnte leise. Was tat er
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