Orangenmond
Weierskirchen, die tuet huereblööd, klebt hier und da ab, und dort bitte auch noch, das reinste Poschtipäckli beim Nacktdreh, unfassbar!« Emil schlug die Augen auf: »Poschtipäckli!« Er lächelte und schlief sofort wieder ein.
Konrad warf einen Blick auf ihn und fragte Georg flüsternd: »Ist das okay für dich, wenn ich solche Dinge erzähle?«
»Sicher. Mehr davon. Solange Emil das morgen am Frühstückstisch nicht wiederholt …« Georg grinste angestrengt und goss Konrad noch einen Grappa aus der Flasche nach, die der Kellner netterweise gleich auf dem Tisch hatte stehen lassen. Wahrscheinlich will er ihn verleiten, von seiner kleinen Affäre mit Milena zu erzählen, dachte Eva. Aus der dann – oje, ein gerissenes Kondom – der kleine Emil entstanden war. Sie sah ihre hübsche, zarte Schwester unter dem rot behaarten Rücken. Vor Ekel zog es ihr die Mundwinkel hinunter, sie merkte es aber noch gerade rechtzeitig, bevor Konrad ihr nach beendeter Geschichte zuprostete: »Sie war forte! Forte e bella! «
Ja, so war sie. Stark und wunderschön. Eva spürte Milenas Energie, hörte ihr Lachen. Doch im Gegensatz zu Konrad wurde sie dadurch nicht euphorischer, sondern trauriger. Heute Nachmittag hatte ihr aus dem kleinen Rasierspiegel eine starke und schöne Frau entgegenge schaut, aber seit Konrad seine Milena-Memoiren vor ihnen ausbreitete, braute sich etwas Düsteres in ihr zusammen. Nicht so hübsch, nicht so schlagfertig, nicht so erfolgreich, kein Geheimnis in den Augen, sagte eine Stimme in ihr. DU. NAIN.
»Und sie war ja unghüür lieb und kontaktfröidig. Einmal …« So, und nun kamen weitere Storys, wie lieb und wie kontaktfreudig Milena war … Eva rutschte auf ihrem Stuhl herum, es war bereits halb eins, die Kellner polierten Gläser und warfen ihnen auffordernde Blicke zu, doch Konrad sah nicht so aus, als ob er bald das Feld räumen würde. Sie schaute neidisch zu Helga, die in der Zwischenzeit ganz nahe neben dem weißhaarigen Dandy Platz genommen hatte. Die amüsierte sich wenigstens. Eva war zwar noch nicht müde, aber die Aussicht, hier weiter zu sitzen und Konrads Erzählungen zu lauschen, war nicht gerade berauschend. Sollte sie zurück in die Wohnung gehen? Wie auf ein geheimes Stichwort kam Helga an den Tisch und holte ihre Handtasche.
»Ich gehe mit Donald noch in einen Nachtclub!« Sie plin kerte ihnen übertrieben zu. »Seine Tochter will ins Hotel, und ihr seht auch aus, als ob ihr Schlaf braucht! Einen Hausschlüssel habe ich ja. Bis morgen! Ach ja, und danke für den Wein, Konrad!« Sie wandte sich um.
»Warte, ich komme mit, wenn ich darf!«, rief Eva. Georg schaute sie verwundert an.
»Aber gerne, Schätzchen, solange du mir nicht als Anstandsdame mitgeschickt wirst.«
Georg hob die Hände: »Nein, nein, ich habe nichts damit zu tun! Einen Schlüssel habe ich auch, alles bestens!«
»Gut, andiamo! «, drängte Helga.
Eva beugte sich zu Georg hinunter, als ob sie ihn auf die Wange küssen wollte. »Denk dran, wir haben noch nichts von ihm!«, sagte sie leise.
»Okay, das lade ich gleich noch runter«, antwortete er unbefangen und klopfte ihr leicht auf die Schulter, »damit wir das später nicht noch machen müssen.«
Aber Konrad hörte gar nicht hin, er stand auf und verabschiedete sich von Helga mit einem Küsschen. Es war, als ob ein Rehkitz von einem schwankenden Bären umarmt würde.
»Wir sehen uns alle morgen, beim Frühstück!«
19
Sie gingen ein paar Stufen hinunter und tauchten in einen Nebel aus Musik, Stimmen, Gläserklirren und Gelächter. Das Licht im Club war schummerig rötlich, wie es sich gehörte, es gab eine kleine Bühne, auf der sich die Strahler der Scheinwerfer überkreuzten, die tiefen Sofas waren mit weißem Leder überzogen und tief. Helga fasste nach Evas Hand und stolzierte mit ihr ganz selbstverständlich durch die verstreut stehenden Menschen, als ob sie die lang erwarteten VIP-Gäste des Abends wären. Eva, zwei Köpfe größer als die zierliche Helga, grinste nach rechts und links, und obwohl sie wusste, dass es nicht stimmte, hatte sie das Gefühl, als starrten alle sie an. Immerhin waren die Dame, von der sie gerade gezogen wurde, und der schicke Donald nicht einmal die Ältesten in diesem Laden. Ein paar noch betagtere Herrschaften saßen und standen zusammen mit ihren wesentlich jüngeren weiblichen Begleitungen. Wahre Liebe eben, dachte Eva.
Auf einem der Ledersofas hinten an der Wand fanden sie Platz, dankbar ließ Eva ihren
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