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Orangentage

Orangentage

Titel: Orangentage Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iva Procházková
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entdeckte er hinten auf dem Ringelweg Hanka. Über den Lenker gebeugt, kam sie vom Bahnhof geradelt und näherte sich der Kreuzung. Sie sah Darek noch nicht. Dies gab ihm Gelegenheit, sich die Haare in die Augen zu streichen und die gelangweilte Miene aufzusetzten, die er zu Hause vor dem Spiegel eingeübt hatte. Er wusste, dass ihn das älter aussehen ließ. Vor Hanka wollte er möglichst erwachsen wirken.
    Ema blieb bei der Magnum - Werbung stehen.
    Â»Kaufst du mir ein Eis?«, fragte sie.
    Das Eis auf dem Werbefoto war auf die Maße eines Paddels vergrößert und der glänzende Schokoüberzug, auf dem Wassertropfen perlten, verführte zum Anbeißen. Es kam aber nicht infrage, dass man etwas derart Kostbares so einfach bekam. Noch dazu mitten in der Woche. Allerhöchstens als Belohnung für einen gut geschriebenen Abschlussaufsatz oder als Extraprämie vom Trainer für eine würdige Platzierung beim Jugendpokalkampf.
    Â»Weißt du, was das kostet?«, antwortete Darek mit einer Gegenfrage.
    Â»Wie viel denn?«
    Â»Eine Stange Geld. Komm, wir gehen!«
    Er fasste die Schwester an der Hand, doch sie riss sich los, stützte sich mit beiden Händen an der Werbetafel ab und öffnete den Mund. Es sah so aus, als wollte sie das Eis vom Foto weglecken.
    Â»M – a – g – u – m«, buchstabierte sie langsam. »Kaufst du mir ein Magum?«
    Â»Du hast das N ausgelassen. Es heißt nicht Magum, sondern Magnum«, verbesserte er sie und fügte mit einem erzieherischen Ton hinzu: »Wir haben noch nicht zu Mittag gegessen. Verkneif dir also das Eis.«
    Â»Ich will kein Mittagessen, ich will ein Eis«, erwiderte Ema. »Dieses da!«
    Â»Was ›ich‹ nicht alles will!«, schnauzte er sie an. Und um endlich weiterzukommen, schubste er sie leicht. Sie klammerte sich an der Werbetafel fest. Darek spürte, wie das Blut in seinen Kopf schoss. Er war drauf und dran, die Schwester anzuschreien, sie zu schütteln und mit Gewalt wegzuschleppen. Aber gerade das durfte er auf keinen Fall tun. Das wäre das Schlimmste überhaupt. Er musste einen anderen Weg finden. Am besten war es, sie zu beschummeln. Sie abzulenken, damit sie das Eis vergaß.
    Â»Guck mal!«, rief er plötzlich »Hast du’s gesehen?«
    Â»Was?«
    Â»Da drüben!«
    Ema wandte sich um und heftete ihren Blick auf den Punkt, auf den er zeigte. Es war aber nichts zu sehen.
    Â»Siehst du?«, fragte er und nahm sie bei der Hand. Diesmal riss sie sich nicht los.
    Â»Was denn?«, hauchte sie mit einem angespanntem Gesichtsausdruck.
    Â»Wir müssen näher hingehen«, sagte er und fühlte sich mies, wie immer, wenn er die Schwester betrog. Es war so einfach, sie an der Nase herumzuführen … Gerade das machte ihm ein schlechtes Gewissen. Aber es war die sicherste Methode, ihr Weinen und Schreien zu beenden. »Siehst du sie?«
    Â»Wen? Wo? Was?«, wiederholte Ema und ließ sich Schritt für Schritt vom Rieseneis wegführen. »Wer ist dort?«
    Â»Sie hat sich eben hinter dem Baum versteckt«, fuhr Darek fort, ohne die leiseste Ahnung zu haben, wovon er eigentlich sprach.
    Â»Eine Katze?«
    Er nickte erleichtert. Eine Katze war gut.
    Â»Welche Farbe hat sie?«
    Â»Lauf doch und sieh nach!«
    Nun brauchte er Ema nicht mehr hinter sich herzuziehen, sie rannte von allein zur großen Pappel am oberen Ende der Hauptstraße. Dahinter war nur noch die Kneipe. Sie lag an der Kreuzung, von der rechts ein Weg hinunter zum Bahnhof und eine schmale Straße durch die Wiesen zu ihrem Bauernhof hinaufführte. Man nannte den Hof immer noch die Genossenschaft , auch wenn an die kollektive Landwirtschaft nur noch die Aufschrift LPG FORTSCHRITT über dem herausgefallenen Tor des Kuhstalls erinnerte. Jeden Tag blickte Darek darauf, aus dem Fenster seines Dachzimmers. Die Buchstaben waren durch Sonne und Regen verblichen und fast nicht mehr zu entziffern. Man konnte stattdessen auch MORDSCHNITT, FURZSCHLIFF, BORDCHRIST oder sogar HORTZUDRITT lesen. Es klang verwirrend und geheimnisvoll, wie die Sprache einer vergangenen Zivilisation.
    Â»Hi, Darek!« Hankas Stimme ertönte in unmittelbarer Nähe und verursachte ein leichtes, angenehmes Frösteln bei ihm. Er drehte sich um.
    Â»Hallo, Hanka.«
    Seine vorbereitete gleichgültige Miene zerfiel schnell unter der Wirkung ihres Blickes. Die

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