Orangentage

gewöhnt, zu gewinnen. Aber durch den Unfall hat sie die Lust an Wettkämpfen verloren.«
    Â»Ist sie denn auch schon gesprungen?«, fragte Hanka. Sie hatte einmal Herkules geritten und es klasse gefunden, aber dann war sie doch etwas enttäuscht, als er es ablehnte, mit ihr über eine niedrige Hecke zu springen.
    Â»Ich weiß nicht, ich habe sie noch nicht richtig geritten«, gab Darek zu. »Herr Havlik hat es mir verboten. Er denkt, dass sie eine Schraube locker hat. Dass sie verdorben ist. Unreitbar.«
    Â»Ich sehe schon, du denkst das nicht.«
    Â»Wenn man es nicht versucht, kann man es nicht wissen.«
    Â»Also, versuch es mal.« Hanka musterte den steinigen Weg, der zum Haus von Herrn Havlik führte. »Die Luft ist rein!«
    Sie schwang sich auf den obersten Balken der Umzäunung, verschränkte die Arme und schaute Darek erwartungsvoll an.
    Â»Sollte ich dich nicht mit ein paar Bändern schmücken?«
    Â»Wieso?«
    Â»Du siehst aus, als würdest du dich für einen feierlichen Königsritt vorbereiten.«
    Darek antwortete nicht. Er spürte, dass jetzt nicht der richtige Augenblick war, um Reden zu schwingen. Krokant hatte bestimmt recht: Kein Mädchen will einen Loser. Wer ein Ass sein will, muss sich konzentrieren. Kirke gab mit jedem Kopfschütteln, mit jedem Hufscharren zu verstehen, dass sie bereit war und auf Aktion brannte. Darek stellte sich auf die Bank, fasste die Zügel, griff an den Vorderzwiesel und stieg mit dem linken Fuß in den Steigbügel. Die Stute regte sich nicht. Ihr Rücken war nicht so hoch wie der von Herkules, es war nicht so schwer, aufzusitzen. Darek schwang das Bein über, setzte sich vorsichtig in den Sattel und steckte die Fußspitze in den rechten Steigbügel. Er blieb eine Weile still sitzen, die Zügel in den Händen. Kirke drehte den Kopf leicht zur Seite, machte jedoch keinen Schritt. Sie wartete brav auf Befehl. Darek streichelte die schwarze Mähne, wiegte sich ein wenig im Sattel und trieb die Stute leicht mit der Wade an. Sie setzte sich in Bewegung. So wie beim letzten Mal, als er mit ihr im Kreis um den Schuppen gegangen war, machte sie auch jetzt gelassene Schritte. Den Kopf trug sie ziemlich hoch, ihr Hals war nach vorne gestreckt und der frisch gestutzte Pony über ihren Augen hüpfte beim Gehen auf und nieder.
    Â»Kannst du aufmachen?«, rief Darek Hanka zu. »Ich möchte mit ihr auf die Hasenwiese.«
    Hanka sprang von der Umzäunung herunter und öffnete das kleine Tor zwischen Koppel und Weide. Die übrigen Pferde waren oben auf der Weide, wo das Gras hoch war, nur Waliserin stand an der Tränke. Als sie die Pforte hörte, hob sie den Kopf und wieherte zum Gruß. Kirke schenkte ihr keine Aufmerksamkeit. Sie schritt geradeaus und Darek fühlte, wie ihre anfängliche Anspannung allmählich nachließ. Ihm ging es genauso. Vorhin, als er sie getrenst und gesattelt hatte, und auch beim Aufsitzen war er nervös gewesen. Ohne Anwesenheit von Vater, Herrn Havlik oder Anton hatte er sich bisher nicht getraut, das Gehege zu verlassen. Nicht, dass er Angst gehabt hätte, er wusste, dass seine Reitfähigkeiten im Laufe des Frühlings und während der langen Ferientage deutlich besser geworden waren, aber er hatte sich an die Aufsicht eines Erwachsenen gewöhnt und respektierte die Regeln. »Reiten ist nichts Weltbewegendes. Es ist wie wenn du Fußball spielst, Brot bäckst oder ein Haus baust«, hatte Herr Havlik ihm gleich nach dem ersten Ritt eröffnet. »Am Anfang treibt dich die Begeisterung voran, weil du aber noch keinen blassen Schimmer hast, um was es geht, liegt das Ergebnis in der Hand des Zufalls. Erst wenn du gelernt hast, wie die Regeln sind, und bereit bist, sie zu respektieren, kannst du dir Erfolg oder Misserfolg aufs eigene Konto schreiben.«
    Heute hatte Darek beschlossen, die Regeln zu brechen, und dafür hatte er Kirke ausgewählt. Er musste etwas Außerordentliches machen. Und Kirke war außerordentlich. In jeder Hinsicht. Als Einzige hatte sie sich nicht der Herde angeschlossen, sie wirkte exotisch, weckte Aufmerksamkeit. Auch ein Laie musste erkennen, dass sie Klasse hatte. In ihrem Sattel hatte Darek die Chance, zu beweisen, dass er Hankas Vertrauen und Zuneigung verdiente. Er konnte ihr zwar keinen Ritt auf einer dröhnenden Maschine anbieten, aber sich mit Pferden auszukennen, bedeutete auch schon etwas.