Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Orangentage

Orangentage

Titel: Orangentage Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iva Procházková
Vom Netzwerk:
er stehen geblieben war, spürte er seine Erschöpfung. Sein Rücken schmerzte, die Beinmuskeln zuckten, er hatte steife Schultern. Er warf den Rucksack ab, nahm seine Jacke heraus und ließ sich in das duftende Heu sinken. Es war weich, raschelte und wärmte angenehm in der mittlerweile kühl werdenden Nacht. Wahrscheinlich waren hier eine Menge Käfer und Spinnen zu Gast, vielleicht hatte sich sogar eine Maus hierher verirrt, aber Darek war das egal. Er legte sich die Jacke unter den Kopf und streckte mit einem Seufzer der Erleichterung seinen müden Körper.
    Er hörte dem Rauschen der Bäume und dem Pochen seines Herzens zu, sonst war es still. Die Welt um ihn herum schlief. Die Augen fielen ihm zu und allmählich löste sich die schmerzhafte Spannung, die sich während des Tages angestaut hatte. Er hatte unüberlegt gehandelt, dachte er. Zu Hause war bestimmt alles in Ordnung. Am Kern des Problems änderte das natürlich nichts. Antons Unternehmen ließ sich nicht entschuldigen. Es war außerhalb der Werteskala, in der sich Darek bisher bewegt hatte. Falls F12 = – F21 galt, erwartete Anton eine schreckliche Belohnung. Nach dem Gesetz von Kraft und Gegenkraft würde er einmal selbst den Schrecken und den Schmerz erleben müssen, den er den Pferden zufügte. Auch mit ihm würde niemand Mitleid haben. Darek bemitleidete ihn keineswegs, selbst wenn er für sein Handeln wenigstens eine Erklärung zu finden versuchte. Wahrscheinlich schickte Anton nur die kränklichen, alten und schwachen Tiere auf den Schlachthof. Solche, die keine anderen Aussichten mehr hatten. Das betraf ihre Pferde aber nicht. Die waren schön. Vielleicht nicht kostbar, aber absolut in Ordnung. Sie in den Tod zu schicken, widersprach dem gesunden Menschenverstand. Nein, Vater würde in eine Schlachtung niemals einwilligen! Niemals! Sie weiden oberhalb des Hofes und Darek wird sie schon bald sehen – in ein paar Stunden. Er muss sich nur ein bisschen ausruhen.
    ***
    Sag mal, was hast du dir eigentlich dabei gedacht?« Vater stand vor der Scheune, das Halfter, das er gerade Krokant abgenommen hatte, in der Hand. Er sah Darek erstaunt, fast beleidigt an. »Haben wir uns etwa zu wenig Mühe mit den Pferden gegeben? Haben wir zu wenig Geld reingesteckt? Es sind doch Vorzeigeexemplare! Hast du wirklich geglaubt, ich würde sie töten lassen? Meinst du, ich hab dich die ganze Zeit an der Nase herumgeführt?«
    Â»Du nicht, aber Anton«, verteidigte Darek sich. »Er liefert Fleisch an die Schlachthöfe. Du solltest sehen, unter welchen Bedingungen! Wenn du willst, dann zeige ich dir im Internet seine LKWs. Er lügt …«
    Â»Pass auf, was du sagst!« Vater legte die Stirn in Falten. »Anton ist mein Freund, mach ihn nicht schlecht! Wenn du etwas gegen ihn hast, sag es ihm ins Gesicht.«
    Â»Werd ich auch! Er nutzt dich nur aus, Papa! Nicht nur, dass er eine billige Arbeitskraft aus dir gemacht hat, du bist zum Mittäter geworden! Und ich auch! Wir helfen ihm bei seinen widerlichen Geschäften! Horse Buddy ist eine Firma, die Schlachtpferde in ganz Europa herumschiebt, um möglichst viel Geld herauszuschlagen! Er verkauft nicht an Züchter! Das hat er uns weisgemacht, um …«
    Ein lautes Platschen. Und noch eines. Es wischte nicht nur ihr Gespräch weg, sondern auch das Halfter in Vaters Hand, die Scheune, den ganzen frühmorgendlichen Traum. Darek wachte verwirrt auf. Schade, dachte er enttäuscht, immer fiel er auf seine Träume herein. Sie waren so echt, so lebendig, dass man ihnen nur glauben konnte.
    Er setzte sich auf, steckte den Kopf aus der Hütte. Es dämmerte. Die Wasseroberfläche, nachts glatt und ruhig, war jetzt in Bewegung. Die Fische sprangen empor und fielen wieder herunter, sie wirbelten das Wasser auf, machten Wellen. Der Himmelsfarbe nach zu urteilen, war es noch früh, die Berge verschwanden im Nebel.
    Kaum war er aus dem Heu gekrabbelt, schüttelte ihn die Kälte. Er machte die Jacke bis zum Hals zu, schwang sich den Rucksack über die Schulter und lief schnell los. Das würde ihn aufwärmen. Falls er sich richtig orientierte, trennten ihn noch drei Täler von Piosek, jedes von einem Bach durchzogen. In einer Stunde würde er zu Hause sein. Jetzt musste er an einem Felsen vorbei, der wie eine Schüssel aussah, und dann würde er den kurvigen Pfad bergauf nehmen.
    Vor zwei Jahren

Weitere Kostenlose Bücher