Orchideenhaus
ist dabei genauso elend wie Ihnen. Es tut mir so leid für Sie beide.«
Lidia starrte ausdruckslos vor sich hin.
»Weiß er von Baby?«, fragte sie schließlich mit leiser Stimme.
»Nein.«
Lidia nickte. Bill sah, wie sie überlegte.
»Er kann mich nicht haben, auch nicht, wenn ich überlebe.«
»Nein, Miss Lidia. Trotz seiner besten Absichten.«
»Würde er sein Kind wollen, wenn er wüsste?«
Lidias Gesicht wurde von Sekunde zu Sekunde fahler. »Miss, ich bezweifle es«, antwortete er mit matter Stimme.
»Ich möchte, dass Sie ihn fragen, ob er unser Kind nimmt.« Sie packte ihn am Ärmel. »Schicken Sie heute Abend Telegramm. Fragen Sie ihn. Bitte, Mister Bill. Ich habe keine Zeit. Ich muss entscheiden, was das Beste ist für Jasmine, solange ich kann.« Erschöpft ließ sie Bills Ärmel los. »Ich bin nicht wichtig. Ich blicke Tod in Auge, und vielleicht ist mein Schicksal, dass ich Erde bald verlasse. Aber unser Kind soll nicht leiden. Harry will das auch nicht, das weiß ich. Sie müssen sie zu ihm bringen … zu ihrem Vater …«
Bill schluckte. Er besaß nicht den Mut, ihr zu sagen, dass die Verwirklichung ihres Vorschlags unmöglich war.
Lidia sah ihre Tochter an.
»Sie verdient Zukunft, Mister Bill. Auch wenn ich überlebe, kann ich mich nicht gut um sie kümmern. Ich habe jetzt kein Zuhause, keine Arbeit und kein Geld. Sie muss mit nach England gehen. Dort hat sie eine Chance.«
»Miss Lidia …«, krächzte Bill. »Die Kleine braucht ihre Mutter. Ich denke …«
»Möglich, dass ich sterbe, und dann hat Kind niemand, der sich kümmert.« Sie küsste Jasmine auf den Kopf und wölbte die Hände darum. »Bitte nehmen Sie sie. Ist das Beste. Wenn ich sie länger behalte, kann ich sie vielleicht nicht … weggeben. « Lidia brach die Stimme.
Sie beugte sich vor, um Jasmine Abschiedsworte zuzuflüstern, dann versuchte sie, mit vor Anstrengung zitterndem Körper, das Kind hochzuheben. Bill nahm ihr Jasmine ab, und Lidia begann, stumm zu weinen.
»Passen Sie auf sie auf, bitte, Mister Bill. Ich glaube, Sie sind guter Mensch. Ich muss Ihnen und Harry vertrauen, weil ich nicht weiß, ob meine Zukunft auf Erde ist oder in Himmel. Aber egal. Jasmine ist Zukunft, nicht ich. Bitte, Mister Bill«, flehte sie. »Finden Sie Weg, mir zu sagen, dass es meiner Tochter gut geht. Wenn ich lebe, muss ich das wissen.«
»Ja. Ich schreibe Priyathep, dem Blumenmann«, versprach Bill. »Und ich kümmere mich um Jasmine, Miss Lidia, keine Sorge.«
» Kop khun ka. Sagen Sie ihnen beiden, dass ich sie liebe, mehr als Sterne am Himmel. Sie sind Segen in meinem Leben, von Gott.«
Lidia streckte ein letztes Mal die Hand nach ihrem Kind aus und sank erschöpft in die Kissen zurück. »Sagen Sie ihnen, ich sehe sie beide wieder. Denn« – ein Strahlen ging über ihr Gesicht – »Liebe stirbt nie, Mister Bill.«
48
Anfang Juli stand Bill vor Elsies Tür.
»Bill! Warum hast du mir nicht gesagt, dass du heute kommst? Dann hätte ich dich in Felixstowe abgeholt!« Als Elsie ihn umarmen wollte, sah sie, dass er ein sorgfältig in eine Decke gehülltes Bündel im Arm hielt. Sie beäugte es argwöhnisch. »Was hast du denn da?«
»Lass uns reingehen, ja? Dann kann ich sie ablegen.«
Elsie schloss die Tür hinter ihm. Als er das Bündel ablegte, begann es sich zu bewegen.
»Schatz, du hast mir gefehlt. Ich dir auch?«
Elsies Blick blieb auf das Bündel gerichtet.
»Sicher. Aber was ist das da?«
Bill sah sie unsicher an. »Ich habe dir ein Geschenk mitgebracht. Es war ein Risiko, das gebe ich zu. Aber letztlich hatte ich keine andere Wahl. Schau sie dir an. Sie ist ein kleiner Engel.«
Elsie schlug die Decke zurück und blickte in ein Paar großer bernsteinfarbener Augen.
»Bill!«, rief Elsie aus und hob die Hände an ihre geröteten Wangen. »Sie ist wunderschön! Wem gehört sie?«
»Uns. Ich habe dir ein kleines Mädchen mitgebracht.«
»Aber…« Elsie fehlten die Worte. »Sie muss doch jemandem gehören. Bill Stafford! Raus mit der Sprache.«
Jasmine fing zu weinen an. »Armes Ding! Komm her.« Elsie nahm sie auf den Arm und betrachtete ihre honigfarbene Haut, die winzige Nase und die dichten dunklen Haare. »Psch, psch, meine Kleine«, sagte sie und gab ihr den Finger zum Nuckeln, um sie zu beruhigen. »Wie alt ist sie?«
»Ein bisschen älter als zwei Wochen bei meiner Abreise, also inzwischen fast acht Wochen«, antwortete Bill.
»Wie hat sich dieser große, ungeschickte Kerl denn auf dem Schiff um
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