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Orchideenhaus

Orchideenhaus

Titel: Orchideenhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: L Riley
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Flammen auf mich zukamen. Wie soll ich dir das erklären?« Xavier begann zu schluchzen. »Ich bin weggerannt, durch den Wald, weg von dem Feuer. Und … «, er stieß einen erstickten Schrei aus, »… habe unseren Jungen nicht mitgenommen.«
    Julia zwang sich, nicht aufzuspringen. »Bitte, Xavier, sprich weiter. Ich muss alles erfahren.«
    Nach kurzem Schweigen fuhr Xavier fort: »Jeden Tag frage ich mich, warum ich Gabriel nicht mitgenommen habe. Ich kann es nicht erklären.« Er schüttelte den Kopf. »Ich habe ihn dort gelassen. Vielleicht waren es der Schock und der Kummer, vielleicht auch Egoismus und Überlebenswille.«
    Wieder weinte er, doch Julia blieb ungerührt. »Und wohin bist du gerannt?«
    Xavier wischte sich Augen und Nase mit dem Handrücken ab. »Keine Ahnung. Irgendwann bin ich stehen geblieben, habe mich im Wald hingelegt und bin eingeschlafen; möglicherweise war ich auch bewusstlos. Als ich das erste Mal aufwachte, war es Nacht. Ich bin wieder eingeschlafen, und beim zweiten Mal Aufwachen war es Morgen. Ich wusste, dass ich zu dir nach Hause und dir alles erklären musste. Irgendwie habe ich es nach Saint-Tropez geschafft.« Er holte tief Luft. »Julia, bitte glaub mir, zu diesem Zeitpunkt war ich fast wahnsinnig vor Kummer. Vor einem Kiosk hing eine Zeitung. Du weißt, wie die Schlagzeile an jenem Tag lautete.«
    »Nein. Ich habe sie nicht gelesen.«

    »Auf der Titelseite war ein Foto von dir, keines von mir. Aber an dem Morgen hätte mich ohnehin niemand erkannt. Mit dem blutverkrusteten Gesicht und den zerrissenen Kleidern sah ich aus wie ein Landstreicher, nicht wie der Ehemann der berühmten Julia Forrester.«
    Er begann, im Zimmer auf und ab zu laufen.
    »Ich habe mich in der öffentlichen Toilette gewaschen und mir Wasser und eine Zeitung gekauft, um über den Unfall zu lesen. Mir wurde klar, dass du und der Rest der Welt glaubten, ich sei tot. Ich wusste« – Xavier blieb stehen und sah Julia an –, »dass ich nicht zu dir gehen und dir die Wahrheit sagen konnte, weil du mir nicht vergeben würdest. Ich hatte Gabriel umgebracht und dort liegen lassen. Und ich bin einfach weggelaufen.«
    »Wohin?«
    »Auf ein Ausflugsboot nach Nizza, von wo ich die Fähre nach Korsika genommen habe. Dort bin ich in einer kleinen Pension in den Hügeln untergetaucht, bis das Geld aus war. Dann habe ich ein paar Wochen Obst gepflückt, an unterschiedlichen Orten, damit man mich nicht erkennt. Es dauerte ziemlich lange, bis ich mich erholt hatte und in der Lage war, wieder klar zu denken. Ich hatte dich in dem Glauben gelassen, dass dein geliebter Sohn und dein Mann umgekommen waren. Es hat mich viel Zeit gekostet, den Mut zur Rückkehr zu finden. Jetzt habe ich es endlich geschafft.«
    Langes Schweigen.
    »Woher wusstest du, dass ich hier bin?«, fragte Julia schließlich.
    Xavier sah sie verwundert an. »Wo hättest du sonst sein sollen? Höchstens auf Konzertreise.«
    »Ich war aber nicht hier, sondern in England. Und ich habe nicht Klavier gespielt.« Sie stand auf und ging durch
die Küche hinaus auf die Terrasse, wo sie die Arme um den Körper schlang und zum nachtblauen Sternenhimmel hinaufblickte. »Vergib mir, vergib mir«, murmelte sie, als sie merkte, dass sie sich gewünscht hätte, Gabriel wäre verschont geblieben.
    Er hat unser Kind umgebracht …
    NEIN! Julia schüttelte den Kopf. Das durfte sie nicht denken. Es war ein Unfall gewesen, ein Moment der Verantwortungslosigkeit, eine falsche Entscheidung, wie sie allen Eltern unterlaufen konnte …
    Außerdem war nicht klar, ob Gabriel überlebt hätte, wenn er hinten in seinem Kindersitz festgeschnallt gewesen wäre.
    Er hat ihn dort verbrennen lassen …
    »O Gott«, flüsterte Julia.
    Wie sollte sie ihm das je verzeihen?
    Was, wenn Gabriel noch gelebt hatte?
    Diesen Gedanken durfte sie nicht weiterverfolgen. Sie musste Xavier glauben, dass er die Wahrheit sagte.
    Und sein Verhalten in den folgenden zwölf Monaten?
    Hätte sie Xavier vergeben können, wenn er nach Hause gekommen wäre und seinen schrecklichen Fehler eingestanden hätte?
    Darauf wusste sie keine Antwort.
    Julia sank auf einen Stuhl.
    Waren die extremen Umstände eine hinreichende Erklärung?
    Und was würde aus ihr und Kit werden, jetzt, da Xavier wieder da war?
    Julia zuckte zusammen, als sie Xaviers Berührung spürte.
    »Julia.« Xavier ging vor ihr in die Hocke und nahm ihre Hände in die seinen. »Es tut mir wirklich sehr leid. Ich werde mir nie verzeihen können, was

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