Orchideenhaus
den Kopf. »Nein.«
»Dann …« Sie presste ein »Wie … ?« hervor.
»Wir müssen über vieles reden, Julia. Aber bitte komm doch zuerst zu mir. Umarme deinen aus dem Reich der Toten zurückgekehrten Mann und vergewissere dich, dass er real ist.«
Xavier streckte die Arme nach ihr aus.
Julia erhob sich wie in Trance.
»Ach, ma chérie , meine Julia …«, murmelte er, als sie ihn berührte. »Du kannst dir nicht vorstellen, wie lange ich diesen Moment herbeigesehnt habe.«
Julia brach in Tränen aus.
»Ich … verstehe … das nicht!«
Als sie zu Boden zu sinken drohte, trug Xavier sie halb zum Sofa und ließ sie darauf Platz nehmen.
»Ich weiß, ich weiß, ma petite . Mir war von Anfang an klar, dass es ein Schock für dich sein würde, mich wiederzusehen. Und ich habe überlegt, wie es für dich am leichtesten wäre«, sagte er und strich ihr übers Haar. »Aber letztlich gab es keinen guten Weg.«
»Wie … kannst du hier sein? Du bist tot, vor einem Jahr gestorben.… Wenn nicht, wo bist du dann die ganze Zeit über gewesen?«
»Das erzähle ich dir alles noch. Doch zuerst sollten wir feiern, dass wir wieder zusammen sind.«
»Nein!« Julia löste sich von ihm. »Bitte sag es mir jetzt!«, flehte sie ihn an.
» D’accord , du hast recht. Lass uns Wein trinken, um unsere Nerven zu beruhigen. Hier, chérie , das wird dir helfen«, sagte er und reichte ihr ein Glas.
Julia glaubte nicht, dass irgendetwas, am allerwenigsten Wein, ihr »helfen« könnte. Trotzdem nahm sie einen Schluck. »Bitte«, wiederholte sie. »Du musst es mir erklären, Xavier. Sonst verliere ich den Verstand.«
Xavier stellte Julias Glas auf das Beistelltischchen. Dann legte er seine langgliedrigen Finger über Julias Hand, ohne den Blick von ihr zu wenden.
» Ma chérie … Ich habe so lange von diesem Moment geträumt und mich gleichzeitig davor gefürchtet. Ich wusste nicht, was ich tun sollte – dir auf ewig fernbleiben? Dir diesen Schock ersparen, dich schützen? In mancherlei Hinsicht wäre es leichter für mich gewesen, mich zu verstecken, mich nicht dem Schrecklichen zu stellen, das ich dir angetan habe. Doch nein, unmöglich! Ich durfte nicht weglaufen, sondern musste meiner Verantwortung als Ehemann und Vater ins Auge blicken.«
»Mein Gott!« Julia schlug eine Hand vor den Mund. »Xavier … Wenn du lebst … Was ist mit Gabr… ?«
Xavier schüttelte den Kopf. »Nein, mon amour , er ist tot. Ich habe es selbst gesehen.«
Julia entzog ihm ihre Hand und holte tief Luft. »Erzähl es mir.«
Xavier trank seinen Wein aus und streckte die Hand wieder nach Julia aus. »Nein! Rühr mich nicht an!«, rief sie fast hysterisch aus. »Bitte erzähl es mir!«
» D’accord, chérie. Wir haben die Party an diesem schrecklichen Tag um sieben Uhr verlassen. Gabriel wollte auf den Beifahrersitz meines neuen Kabrios, und ich habe ja gesagt. Er war ganz aufgeregt, dass er vorne sein durfte, hat gekreischt und gelacht und mich gedrängt, schneller zu fahren. Und ich« – Xaviers Stimme wurde rau – »habe ihm die Bitte erfüllt. In der Kurve musste ich einem entgegenkommenden Auto ausweichen. Ich habe die Kontrolle über den Wagen verloren, der den Abhang hinunterschlitterte. Bitte, Julia, vergib mir …« Er schluckte. »Der Wagen ist gegen einen Baum geknallt. Ich hatte einen Schock erlitten; mein Gesicht blutete. « Er berührte die Narbe an seiner Wange. »Ich habe sofort nach Gabriel gesehen, doch der Sitz neben mir war leer. Allem Anschein nach war er aus dem Auto geschleudert worden. Irgendwie gelang es mir, hinaus- und den Abhang emporzuklettern, um nach Gabriel zu suchen.«
Xavier stützte den Kopf in die Hände. »Ach, Julia …«
Sie schwieg.
»Ich … habe ihn gefunden. Ein Stück weiter den Abhang hinauf. Zuerst dachte ich, er sei nur ohnmächtig, weil ich keinerlei Verletzung entdecken konnte. Aber dann … Gott steh mir bei! Ich habe ihn hochgehoben, und sein Kopf hing herunter wie bei einer kaputten Puppe. Da wusste ich, dass er schwer verletzt ist.«
»Heißt das, er hatte sich das Genick gebrochen?«
»Ja. Seine Augen standen weit offen … Ich habe seinen Puls gefühlt und nichts gespürt, ihn gerüttelt, versucht, ihn aufzuwecken, obwohl ich wusste, dass es sinnlos war. Ich habe ihn im Arm gehalten, ich weiß nicht, wie lange. Plötzlich habe ich einen lauten Knall gehört und gesehen, dass der Wagen in Flammen aufging. Es war alles furchtbar trocken dort und dauerte nur wenige Sekunden, bis die
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