Orchideenhaus
du das Anwesen eines Tages erben würdest, oder?«
»Ja, irgendwann in ferner Zukunft; eine Pflicht, die ich gern
verdrängt habe. Letztlich wickle ich das Ganze nur ab, weil die Wharton-Park-Hauptlinie der Crawfords in meiner Generation keinen Erben hervorgebracht hat.«
»Allmählich kriege ich den Eindruck, dass du es gar nicht erwarten kannst, Wharton Park loszuwerden.«
»Nein, das stimmt nicht. Ich …« Da klingelte Kits Handy. »Entschuldige kurz, Julia. Hallo? Ach, hallo, Annie. Alles in Ordnung?«
Julia ging weiter, damit Kit sich ungestört unterhalten konnte. An der Tür zum Cottage holte er sie wieder ein. »Entschuldige. Sieht fast so aus, als müsste ich gleich los«, teilte er ihr mit. »Bist du sicher, dass du zurechtkommst?«
»Natürlich. In den sieben Monaten, die ich allein hier verbracht habe, ist mir auch nichts passiert. Kein Problem, wirklich. «
»Soll ich dir was zum Mittagessen bringen?«, fragte er.
»Ich glaube, ich schaffe es schon, mir ein Sandwich zu machen. Lauf mal lieber los.«
»Gut. Du hast meine Telefonnummern, sowohl die vom Handy als auch die vom Festnetz, und Alicia hat mir versprochen, später nachzusehen, ob alles in Ordnung ist.«
»Na wunderbar.« Julia verdrehte die Augen und ließ sich aufs Sofa fallen.
»Alicia will dir nur helfen. Du bist ihr wichtig.«
»Das weiß ich. Aber sie vermittelt mir das Gefühl, selbst nichts zustande zu bringen. Sie ist so schrecklich organisiert.«
»Ihre Art und Weise, mit dem Leben fertig zu werden. Irgendeine Methode haben wir uns alle zurechtgelegt, sogar du.« Kit küsste sie auf die Stirn. »Melde dich, ja? Und lass mich wissen, wie es dir geht.«
»Mache ich«, versprach sie und stand auf. Plötzlich fühlte sie sich sehr verletzlich. »Danke. Für alles.«
»Nicht der Rede wert. Bis bald.« Kit öffnete die Tür.
Julia nickte. »Ja, bis bald.«
Julia ging nach oben, um ein Nickerchen zu machen, konnte jedoch nicht einschlafen. Sie versuchte, ein Buch zu lesen, das seit Ewigkeiten auf ihrem Nachtkästchen lag, war jedoch nicht in der Lage, sich darauf zu konzentrieren. Irgendwann döste sie dann aber doch ein, denn als sie aufwachte, war es sechs Uhr.
Sie hatte Hunger und ging nach unten, um sich etwas zu essen zu machen. Der Frühlingstag war nur noch eine ferne Erinnerung; der Abend hatte Kälte gebracht. Sie entzündete den Kamin, wie Kit es ihr gezeigt hatte, doch es gelang ihr nicht, die Flammen genauso zum Lodern zu bringen wie er.
Nach dem Verzehren des Käsetoasts wusste sie nicht so recht, was sie mit dem Abend anfangen sollte. Sie beschloss, gleich am nächsten Tag einen Fernseher zu besorgen, um die Stille zu vertreiben.
Später im Schlafzimmer, als die Kirchenglocke zwölf schlug, merkte sie, wie sehr Kit ihr fehlte.
Einige Tage danach saß Julia in der ungewöhnlich warmen Frühlingssonne auf der Bank vor ihrem Cottage und dachte über ihre Zukunft nach. Dass sie überhaupt glaubte, eine zu haben, erschien ihr wie eine Offenbarung. Was sie bringen würde, wusste sie aber nicht.
Eins wusste sie jedoch sicher, nämlich dass sie nicht länger in dem Cottage bleiben wollte. Seit sie wieder allein war, zogen die Stunden sich endlos dahin, und sie hatte zu viel Zeit zum Grübeln. Außerdem fühlte sie sich – so ungern sie das zugab – emotional labil. Immerhin hatte Kits Abschied ihr die Kraft verliehen, endlich Entscheidungen zu treffen.
»Genug«, murmelte sie. Sie würde alles für ihre baldige Rückkehr nach Frankreich organisieren, auch wenn dort schmerzliche Erinnerungen auf sie warteten.
Da klingelte ihr Handy. Sie ging, froh über die Ablenkung, ran.
»Hallo?«
»Hallo, Julia. Ich bin’s, Kit.«
Sie wurde unwillkürlich rot.
»Ich wollte nur fragen, wie es meiner Patientin geht.«
»Deutlich besser, danke.«
»Prima. Meinst du, du könntest morgen Abend zu mir nach Wharton Park zum Abendessen kommen?«
»Ich glaube schon.« Julia lächelte.
»So gegen acht?«
»Okay. Soll ich was mitbringen?«
»Nur dich.«
»Bis morgen dann.«
»Ich freu mich. Tschüs, Julia.«
»Tschüs.«
Julia legte das Handy, bestürzt darüber, wie glücklich sie sich plötzlich fühlte, auf die Bank. Konnte es sein, dass sie sich wieder für einen Mann interessierte? Nur wenige Monate nach dem Tod von Xavier?
Ja.
Nach dem Mittagessen fuhr sie nach Holt, um eine Seidenbluse, Jeans, zwei weiche Kaschmirpullover und ein Paar Schuhe zu kaufen. Zu der Einladung würde sie Bluse und Jeans
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