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Orchideenstaub

Orchideenstaub

Titel: Orchideenstaub Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Pleva
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war mit seinem Latein fast am Ende. „Wir sollten in den Hotels alle Gäste überprüfen lassen, die an den besagten Tagen dort waren. Vielleicht finden wir ja einen Namen, der an allen drei Tatorten war. Wenn das nichts bringt, weiß ich ehrlich gesagt auch nicht weiter. Sorry.“
    „Ich werde ihm das ausrichten“, sagte Estelle. Das Gespräch blieb professionell, keiner von beiden erwähnte ein Wort über die vergangene Nacht, und als Sam aufgelegt hatte, war seine Laune auf dem Nullpunkt angelangt.
    Juri erwartete ihn schon in der Kantine. „Er hätte die Gene seiner Mutter. Sie ist blond und blauäugig. Spanisches Adelsblut. Seinen Vater kennt er nur als grauhaarigen alten Mann. Also wieder daneben.“
    „Hast du auch gefragt, wie alt sein Vater ist?“
    „Yes, Sir.“ Juri legte die flache Hand an die Stirn und klappte die Hacken zusammen. „Er ist neunzig.“
    „Was? Kein Wunder, dass sein Vater schon immer grau war. Er war schon …“ Sam rechnete im Kopf, aber er war zu langsam.
    „Ein alter Mann“, ergänzte Juri. „Vierundvierzig.“
    Sam fuhr sich mit den Fingern durch die Haare und lächelte einer attraktiven Beamtin zu, die gerade ihr Mittagessen einnahm und ihn die ganze Zeit nicht aus den Augen gelassen hatte.
    Juri drehte sich sofort um und suchte nach Sams Angriffsziel. Es war brünett, zierlich mit großen braunen Augen und hatte ein nettes Lächeln.
    „Tja, alte Männer kommen gut bei jungen Frauen an, Kleiner.“ Plötzlich wurde Sams Gesicht wieder ernst und Juri sah in den Augen seines Kollegen, dass er für einen kurzen Augenblick in die Vergangenheit zurückgereist war.
     
     

45.
     
     
     
    Unter Wasser herrschte diese eigentümliche gedämpfte Ruhe. Die Geräusche waren weit weg und drangen wie in Zeitlupe zu ihm. Sam schloss die Augen und tarierte sich aus, Beine und Arme von sich gestreckt. Er hatte das Gefühl zu schweben, losgelöst zu sein von der Realität, die ihn sofort wieder einholen würde, sobald er mit den Ohren die Wasseroberfläche durchbrach.
    Der Kurztrip nach Malaga kam ihm jetzt vor wie ein Traum. War er wirklich dort gewesen? Hatte er ein Haus, eine Wohnung, Aktien und so viel Geld geerbt? Sollte das der Tatsache entsprechen, würde er nach Abschluss dieses Falles eine kleine Pause machen. Er wollte ans Meer fahren, sich direkt am Strand ein Haus mieten und über seine Zukunft nachdenken, wenn es noch eine gab, denn vielleicht erübrigte sich das auch alles durch seinen eigenen plötzlichen Tod, den Lina vorhergesehen hatte. Wäre es nicht typisch, sobald sich das Leben zu vereinfachen scheint, gibt man den Löffel ab, dachte Sam und lachte leise vor sich hin.
    Er schwamm noch zwei Bahnen, bevor er aus dem Pool stieg und sich einen Bademantel überzog. Die Uhr zeigte gerade mal drei. In zwei Stunden wollte er sich mit Brenner in der Klinik treffen, der ihm einen Vorschlag unterbreiten wollte.
    Sam legte sich in einen Liegestuhl, schloss die Augen und versuchte an Nichts zu denken. Wie immer wollte ihm gerade das nicht gelingen.
    In Kolumbien gäbe es an jeder Ecke wild wachsende Orchideen, hatte Rafael Rodriguez erzählt. Mit dem Namen der Miltonia war er jedoch nicht vertraut. Erst als er ein Foto von ihr sah, nickte er bestätigend und gab zu, dass diese Art unter vielen anderen auch bei ihnen im Garten wuchs. Sein Vater saß dort manchmal stundenlang zwischen den Blumenbeeten und ergötzte sich an der Farben- und Formenpracht.
    Neunzig Jahre alt. Sam war sich sicher, dass der Vater von Rafael nicht wirklich Diego Rodriguez hieß. Wie viele Nazis waren damals nach Südamerika geflohen und hatten sich dort unter falschem Namen niedergelassen. Mengele, alias Wolfgang Gerhard, war 1979 in Brasilien unter mysteriösen Umständen ertrunken, hatte aber immerhin fast dreißig Jahre dort unbehelligt gelebt. Eichmann, alias Riccardo Klement hatte sich ebenfalls jahrelang in Buenos Aires versteckt, bevor er gefasst wurde. Gegen viele geflohene Kriegsverbrecher wurde damals nicht einmal Anzeige erstattet und somit kein Ermittlungsverfahren eingeleitet, weshalb sie durch das juristische Netz geschlüpft waren und unerkannt auf dem anderen Kontinent leben konnten. Heinrich Thiel hatte sich auch verfolgt gefühlt und war von Stadt zu Stadt gezogen. Die Todesmeldung war 1963 aus Kolumbien, Bogotá, gekommen. Was wäre, wenn Heinrich Thiel gar nicht an Malaria gestorben war, sondern nur bestimmte Leute, wie zum Beispiel seine Verfolger, in den Glauben hatte versetzen

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