Orcs ante Portas
Familien zu erwerben, die in den Kriegen des letzten Jahrhunderts erarmt sind. Ich vermute, dass keiner aus seiner Sippe in den letzten fünfzig Jahren einen Pflug auch nur angefasst hat. Er ist durch und durch ein Aristokrat, was diesmal aber seinen Hals nicht retten wird. Selbst wenn man männlichen Aristokraten für gewöhnlich, im Gegensatz zu der unglückseligen Herminis, erlaubt, ins Exil zu gehen, bevor sie wegen eines Kapitalverbrechens exekutiert werden, dürfte man von dieser Möglichkeit im vorliegenden Fall keinen Gebrauch machen. Die öffentliche Meinung wird es nicht dulden, nicht für den Mörder an Präfekt Calvinius. Und selbst wenn die Öffentlichkeit nichts dagegen hätte, der Palast würde es niemals erlauben. Lohdius erwartet todsicher die Exekution. Der König dürfte über diese Gelegenheit entzückt sein, sich endlich des unbequemen Kritikers entledigen zu können.
»Habt Ihr eine Ahnung, welche Beweise vorliegen? Ich meine abgesehen davon, dass er derjenige war, der Calvinius das vergiftete Gebäck gereicht hat? «
Ivaris schüttelt den Kopf. »Es war alles ein schrecklicher Schock. Ich habe keine Ahnung, warum jemand meinen Ehemann beschuldigen sollte. Er würde so etwas im Leben nicht tun.«
»Euer Ehemann verbringt sein Leben damit, gegen die Traditionalisten zu agitieren. Calvinius war einer ihrer führenden Köpfe. Und sie waren nicht gerade die besten Freunde.«
»So werden die Angelegenheiten im Senat eben gehandhabt. Trotzdem würde mein Ehemann niemals etwas Gewalttätiges tun.«
Das stimmt nicht ganz. Wenn die Wahlen nahen, kommt es zu einer wahren Welle von Gewalttätigkeiten, und die werden von all denen begangen, die als Ergebnis davon Stimmen zu gewinnen hoffen. Ich lasse ihr diese Bemerkung trotzdem durchgehen, merke jedoch an, dass Lohdius allein schon deshalb in ernsten Schwierigkeiten stecken könnte, weil er ein Widersacher des Konsuls ist.
»Es wäre nicht die erste falsche Mordanklage, die in dieser Stadt aus politischen Gründen erhoben wird. Ich selbst habe auch unter einer falschen Beschuldigung zu leiden. Und Lohdius und seine Volkspartei haben sich nicht gerade dabei überschlagen, mir zu helfen, wenn ich es recht überlege.« Das beunruhigt Ivaris offenkundig, und ich wechsle rasch das Thema: »Was ist das für eine Geschichte mit dem Prozess? Angeblich wollte Calvinius Euren Mann vor Gericht zerren.«
»Ein Streit wegen eines Testaments«, erklärt Ivaris. »Ich kenne bedauerlicherweise die Einzelheiten nicht.«
Das bezweifle ich. Ivaris macht auf mich nicht den Eindruck einer Frau, die keine Ahnung von den Geschäften ihres Mannes hat. Aber ich sage nichts dazu. Diese Einzelheiten kann ich auf anderen Wegen herausfinden. Dennoch ist mir schon jetzt klar, dass es nicht gut für Lohdius aussieht. Er hat einem Mann vergiftetes Gebäck gereicht, der ihn verklagen wollte. Ein Mann, der auch vorher schon sein Feind gewesen ist.
»Hat Zitzerius gesagt, dass er mir Zutritt zu Eurem Gatten verschaffen kann?«
»Ja. Wollt Ihr sofort hingehen? Das heißt natürlich, sobald der Sabbav vorbei ist.«
»Wie bitte?«
»Das Abendgebet. Es ist fast Zeit.«
Bei diesen Gebeten handelt es sich um eine gesetzliche Vorschrift für alle Bürger Turais. Sie müssen es dreimal am Tag tun. Die Frommeren von uns gehen dafür in die Kirche. Obwohl das nicht direkt vom Gesetzgeber vorgeschrieben ist. Man kann überall beten. Wenn ich in meinen Räumen bin, ignoriere ich den Aufruf zum Gebet. Sollte ich jedoch das Pech haben, draußen erwischt zu werden, knie ich mich mit den anderen Unglücksraben einfach auf die Straße und döse ein wenig, während der Rest das Ritual durchspielt. Makri dagegen hat keinerlei Beziehung zu irgendwelchen religiösen Praktiken Turais und sorgt für gewöhnlich dafür, dass sie zur Gebetszeit in Deckung ist. Jetzt jedoch bietet uns Ivaris tatsächlich an, ihren Familientempel zu benutzen. Ich möchte das nicht akzeptieren. Plötzlich fällt mir auf, dass ich unangenehm nach Kleeh stinke. Ich bin zwar nicht gerade das, was man einen religiösen Menschen nennen würde, aber man kann schließlich nie wissen. Es könnte zu Schwierigkeiten führen, wenn man eine private Kapelle betritt und nach Schnaps riecht. Ich habe häufig das Gefühl, dass ich von den Göttern verfolgt werde. Und es ist nicht nötig, die Angelegenheit zwischen denen da oben und mir hier unten noch zu verschlimmern. Ich stammele eine Entschuldigung, aber Ivaris wischt sie mit einer
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