Orden der Verderbnis - Thriller (German Edition)
sicher und würde niemandem auffallen. Er hatte sich angewöhnt sehr
vorsichtig vorzugehen. Das galt natürlich insbesondere für Observationen. Doch
auch in anderen Situationen plante er so, dass es immer einen Plan B gab.
Die Strecke zu dem Grundstück von Hartwigs Haus ließ sich
bequem und unbemerkt in einigen Minuten zu Fuß zurücklegen. Er entschied sich
allerdings nicht für den direkten Weg. Mit einem Schwung sprang er über den Zaun
des riesigen Nachbargrundstücks und lief in geduckter Körperhaltung über den
Rasen. Die großen Rhododendren, Sommerflieder und Blutbuchen markierten in Form
einer Hecke die Grenze zum Nachbargrundstück und boten ihm idealen Schutz für
sein Vorhaben. Auf der anderen Seite der Hecke befand sich ein weiterer
Metallzaun, der sich aber leicht überwinden ließ. Er näherte sich unbemerkt der
unbeleuchteten Seite der Hinterseite des Hauses. Im angrenzenden See spiegelten
sich die Laternen des nahegelegen Bootsstegs. Die unheimliche Ruhe wurde nur
gelegentlich durch einige Wasserenten gestört, die sich im dichten Schilf und
dem seichten Uferwasser ihren Weg bahnten.
Als Ben Seybold an der Terrasse von Hartwigs Haus angekommen
war, hatte er von seinem Versteck aus nahezu freien Blick auf das große
Wohnzimmerfenster. Durch die Scheibe konnte er jemanden erkennen, der neben
einer Stehlampe stand und telefonierte. Das musste Hartwig sein. Nach einigen
Sekunden beendete dieser das Telefonat und steckte sein Handy in die seitliche
Hosentasche.
Während Seybold noch überlegte, wie er sich unbemerkt der
Schiebetür neben dem großen Wohnzimmerfenster nähern konnte, begab sich Hartwig
zu einer seitlichen Tür im Wohnbereich. Er verschwand aus Seybolds Blickwinkel
im dahinterliegenden Flurbereich. Von dort aus führte eine wuchtige, massive
Eichenholztreppe direkt in den Keller des Hauses. Über einen Bewegungsmelder
wurde das Licht automatisch eingeschaltet. Hartwig öffnete die Zugangstür zu
seinem Weinkeller, der sich perfekt ausgerichtet auf der Nordseite seines
Hauses befand. Für die Einrichtung des Kellers hatte er vor einigen Jahren ein
kleines Vermögen ausgegeben. Die zum größten Teil sehr teuren und wertvollen Weine
sollten wohltemperiert, vor Wärme und Sonne geschützt, gelagert werden. Dabei
spielte die Ausrichtung, die Dicke und Farbe der Mauern, die Lüftung und selbst
zu vermeidende Geräusche und Lärm eine wesentliche Rolle. In Sachen Wein war
ein Perfektionist.
Außer ihm wusste nur eine einzige weitere Person davon, dass
dieser Ort ein düsteres Geheimnis barg. Bereits während der Planungsphase hatte
Hartwig die Idee entwickelt, diese Räume nicht nur als Lagerstätte für seine
edlen Tropfen zu nutzen.
Er durchschritt den Raum, der zahlreichen Weinregalen Platz
bot, bis er vor einem Metallregal an der hinteren Seite stehen blieb. Er nahm
gezielt eine Flasche Spanischen Gran Crus aus dem Regal, um den Zugang zu einem
Fingerabdruck-Schalter freizumachen, der darunter verborgen war. Er legte
seinen rechten Zeigefinger auf das kleine Abtastfeld im Ablageboden des
Regalfachs und trat einen Schritt zurück. Unmittelbar danach schwenkte das
Regal wie von Geisterhand gesteuert zuerst ein paar Zentimeter nach vorne, um
dann in seitlicher Bewegung den Blick auf eine weiße Metalltür freizumachen.
Das Regal stoppte. Die schwere Tür war mit einem Zahlenschloss gesichert.
Hartwig begann damit per seitlich angebrachter Tastatur einen Zahlencode
einzugeben, als er durch ein Geräusch gestört wurde. Sofort brach er den
Vorgang ab und leitete den automatischen Schließvorgang ein. Das Regal fuhr
zurück in seine ursprüngliche Position.
Mit eiligen Schritten lief er die Kellertreppe hinauf. Er
atmete schwer. Oben angekommen, verharrte er einen Augenblick und hielt den
Atem an. Hinter einer der vom Flur abgehenden Türen war ein lautes Wimmern zu
hören, das von einem kratzenden Geräusch begleitet wurde. Hartwig öffnete die
Tür und mit einem Satz sprang ein Dobermann heraus. Hechelnd und mit seinem
kupierten Schwanz wedelnd, freute dieser sich offensichtlich darüber, sein
Herrchen zu sehen. An seinen Lefzen hatte sich weißer Schaum gebildet, der auf
den hellen Marmorboden tropfte.
„Bist ein braver Kerl!“, flüsterte Hartwig, während er seinem
Vierbeiner die Kehle kraulte. „Und jetzt such!“
Der Hund unterbrach sein freudiges und erregtes Grummeln
sofort, um in das angrenzende Wohnzimmer zu stürmen. Vor der Schiebetür blieb
er stehen. Dann lief er
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