Ordnung ist nur das halbe Leben
von zu Hause. Um nur ja keine Sentimentalität aufkommen zu lassen, setzte ich mich schnell hinters Steuer und fuhr los. Ich würde mir jetzt einen Campingplatz suchen, irgendwo am anderen Ende der Insel vielleicht. Also bog ich auf die Straße nach Süden ein.
Nach ungefähr zehn Kilometern sah ich ein Schild, das auf einen Parkplatz in Strandnähe hinwies, und so beschloss ich, mir mal den Strand anzugucken. Es war erst zehn Uhr morgens, und ich musste ja irgendwie den Tag rumkriegen, ohne durchzudrehen.
Ich bog rechts ab und fuhr auf den Parkplatz. Es war schon ziemlich voll, klar, bei dem schönen Wetter. Hier parkten auffällig viele Luxuskarossen: Porsche, BMW , Jaguar, Mercedes, Maserati, Bugatti. Das könnten alles meine Mandanten sein. Ich musste grinsen. Gegen die Superschlitten war mein Bus natürlich eine total erbärmliche Schleuder. Aber was soll’s. Hauptsache, ich fand noch ein Plätzchen.
Und tatsächlich – am Ende der mittleren Reihe entdeckte ich einen freien Parkplatz. Ein Motorjaulen machte mich plötzlich auf das hinter mir fahrende Auto aufmerksam. Ein schwarzes Mercedes-Coupé hing mir fast auf der Stoßstange.
An mir kommst du nicht vorbei, dachte ich, da bog der Wagen nach links ab. Ich erkannte sofort, was die Fahrerin vorhatte: Sie wollte mich in der Parallelspur überholen, um den letzten freien Parkplatz zu ergattern. Sie gab ordentlich Gas. Aber ich auch. Und da sie außen rum fahren musste, und mein Bus größer war, war ich trotzdem eine Sekunde früher da und raste mit meinem Bus auf den Parkplatz. Die Mercedes-Fahrerin musste ordentlich auf die Bremse steigen. Ich kletterte aus der Beifahrertür hinaus.
Die Mercedes-Fahrerin ließ ihre Fensterscheibe heruntergleiten und sagte in arrogantem Tonfall: »Sie haben mir den Parkplatz weggenommen.« Die Beifahrerin nickte bestätigend hinter ihrer gigantischen Sonnenbrille.
»Nein, habe ich nicht. Ich war einfach vor Ihnen da. Tut mir leid, aber das war ganz klar mein Parkplatz.«
»Unverschämtheit«, sagte die Beifahrerin schrill. »Typisch für …« Sie ersetzte das Ende des Satzes durch einen abschätzigen Blick. Ich hatte natürlich genau verstanden, was sie von mir in meinem freakigen Outfit hielten. Die beiden Frauen in dem Coupé waren von der modernen Schönheitschirurgie in Zwillinge verwandelt worden, mit prallem Teint, schmalen Nasen und vollen Lippen. Nur die Haarfarbe unterschied sie: Die Fahrerin war blond, ihre Freundin brünett.
»Solche Autos sollten verboten werden«, meldete sich jetzt die Fahrerin zu Wort.
»Keine Sorge, das ist nicht meins«, sagte ich und schob die Seitentür auf, um mir meine Strandsachen rauszuholen.
Die Fahrerin ließ den Motor noch mal aufheulen, aber weil ich mich davon nicht beeindrucken ließ, versuchte sie es anders: »Besorgen Sie sich einen anständigen Job, anstatt mit Ihrer Nichtsnutzigkeit hier die Leute zu belästigen.«
»Und mit diesem Schrotthaufen Parkplätze zu blockieren«, zeterte die Beifahrerin.
Ich zog mir die Schuhe aus, weil es nur ein paar Meter bis zu den Dünen waren, hinter der der Strand lag. Von diesen Schnepfen würde ich mir nicht die Laune verderben lassen – außer sie machten so weiter.
Sie machten weiter. »Und ich dachte, Hippies gäbe es nur noch im Naturkundemuseum, in der Abteilung prähistorische Mutanten«, sagte die Blonde und lachte hämisch.
Ich musste hier schnell weg, sonst würde ich ihnen noch mit dem Bolzenschneider den Mercedesstern abknipsen. »Tja, Mädels. Sieht nicht so aus, als ob hier in der nächsten Zeit noch ein Parkplatz frei werden würde«, sagte ich. »Einen schönen Tag noch.«
Ich nahm eine Decke und ein Handtuch aus dem Auto und knallte die Schiebetür zu. Die beiden Freundinnen tuschelten miteinander.
»Ich gebe ihnen zwanzig Euro für den Parkplatz«, sagte die Fahrerin.
Ich reagierte nicht.
»Dann eben fünfzig.«
Ich winkte ihnen, ohne mich umzudrehen.
Kleine Steinchen piksten in meine Fußsohlen, als ich über den gepflasterten Weg ging. Mit Jens hätte ich das nie gemacht. Die Schuhe ausgezogen. Er hätte acht Gründe aufgeführt, warum das eine absolut idiotische Idee war. Mindestens. Deine Füße werden dreckig. Du könntest in eine Scherbe treten. Oder in einen Nagel. Da ist überall massig Hundekacke auf dem Weg. Du schleppst den ganzen Sand ins Auto. Wir können nicht so schnell gehen. Wenn dir einer auf die Füße tritt, tut es total weh. Und überhaupt, wie sieht das denn aus!
Ich kicherte. Zu
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