Ordnung ist nur das halbe Leben
vergessen! Und dann wollte ich es holen, und dann war es weg! Ausgerechnet just in dem Augenblick stiehlt einer das Auto!«, brüllte mein Vater. »Ich kriege so einen Ärger, wenn das Teil weg ist!«
»Mama, jetzt hör mir doch mal zu«, sagte ich. » Ich habe den Wagen genommen. Ich habe ihn mir geliehen.«
»Was?«, fragte meine Mutter.
»Was sagt sie?«, wollte mein Vater wissen.
»Ja. Ich musste den Sessel …« Mir fiel ein, dass Per Hansen mir gegenübersaß und mich beobachtete. »Den Sessel von Oma in die Reparatur bringen.«
»Den Sessel von Oma?«, fragte meine Mutter.
»Welcher Sessel von Oma?«, echote mein Vater.
»Der weiße. Der neben den Bonsais gestanden hat.«
»Hä?«
»Ist ja auch egal. Ich erkläre es euch genauer, wenn ich wieder zu Hause bin«, sagte ich hastig.
»Wo bist du denn jetzt?«, wollte meine Mutter wissen.
»Welcher weiße Sessel von Oma?«, wiederholte mein Vater im Hintergrund verwirrt.
»Ich bin in Westerland.«
Meine Mutter stutzte. »Du bist auf Sylt?«
»Sylt? Was macht sie denn auf Sylt?« Mein Vater könnte wirklich als internationale Verbindungsstörung arbeiten.
»Um genauer zu sein, auf der Polizeistation. Wegen des Autos. Weil ihr es doch als gestohlen …«
»Auf der Polizeistation?«, unterbrach meine Mutter. Dann war einen Moment Ruhe in der Leitung.
Dann sagte mein Vater: »Unsere Tochter ist bei den Bullen!« Beide fingen schallend an zu lachen.
»Da gibt es nichts zu lachen«, maulte ich.
»Ach, Puna, endlich hast du auch mal was Verrücktes gemacht!«, kicherte meine Mutter.
»Total verrückt«, röhrte mein Vater.
»Das habe ich doch nicht freiwillig gemacht«, verteidigte ich mich patzig. »Ich konnte ja nicht ahnen, dass ihr den Wagen als gestohlen meldet.«
»Ach, Puna. Mach dir nichts draus. Eine Verhaftung gehört in jeden Lebenslauf«, scherzte meine Mutter.
»Ich bin nicht verhaftet worden«, widersprach ich. »Oder?«, fragte ich den Polizisten.
Der schüttelte den Kopf. »Vorläufig festgenommen«, sagte er.
»Vorläufig festgenommen«, informierte ich meine Mutter.
»Ach, das ist doch dasselbe«, sagte sie.
»Weißt du noch, Trautchen«, rief mein Vater dazwischen, »damals als wir auf diesem Festival …?«
Bevor mein Vater wieder die ganze Story zum Besten gab, wie er 1975 wegen Besitzes von Cannabis festgenommen worden war, unterbrach ich streng: »Auf jeden Fall müsst ihr jetzt dem Polizisten sagen, dass ich eure Tochter bin …«
»Du bist wirklich unsere Tochter! Einen Bus klauen und nach Sylt düsen!«, gackerte meine Mutter, und mein Vater sagte: »Was für ein Glück! So fügt sich alles zusammen.«
»Könnt ihr jetzt mal aufhören mit den blöden Witzen«, ermahnte ich sie, »und dem Polizisten bitte sagen, dass ich eure Tochter bin und ihr die Anzeige zurücknehmt?«
Ich reichte Per Hansen den Hörer, der ihn mit unbeteiligter Miene annahm.
»Hauptkommissar Hansen spricht hier«, sagte er, dann war er still, runzelte die Stirn ob der Stimmenkakofonie, die aus dem Hörer drang, dann sagte er: »Gut, verstehe. Nein, das ist nicht nötig … Vielen Dank auch … Ich lege jetzt auf!« Er seufzte und reichte mir den Hörer zurück.
»Ich melde mich, wenn ich wieder zu Hause bin, Mama«, sagte ich und legte erleichtert auf.
»Dann wäre das also geklärt.« Er tippte noch irgendwas in seinen Computer, dann drehte er sich zu mir. »Sie können gehen.«
»Na, Gott sei Dank!« Ich atmete auf.
»Sie müssen vorher nur noch die Abschleppgebühren bezahlen.«
»Wie viel kostet das denn?«, fragte ich mit mulmigem Gefühl.
»Einhundertvierundsiebzig Euro.«
»Die habe ich!«, rief ich erleichtert.
»Gut«, sagte Per Hansen. »Gegen Vorlage der Fahrzeugpapiere und Ihres Führerscheins kann ich Ihnen dann das Auto herausgeben.«
»Aber …«, hauchte ich. »Die habe ich doch nicht.«
»Dann haben Sie ein Problem«, stellte er fest, zog eine Pfeife aus einer Schublade und begann, sie zu stopfen.
»Aber was mache ich denn jetzt?«, jammerte ich.
Der Polizist zündete in Ruhe seine Pfeife an, zog ein paarmal bedächtig daran, dann zeigte er mit der qualmenden Pfeife auf das Telefon. »Sie dürfen gerne noch mal telefonieren.«
Ich sackte in mich zusammen und überlegte fieberhaft, ob mir noch irgendein Ausweg blieb. Aber leider gab es tatsächlich keine andere Lösung. Langsam näherte sich meine Hand dem Telefon, dann gab ich mir einen Ruck und drückte die Wahlwiederholungstaste.
»Ich bin es wieder, Moni«,
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