Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ordnung ist nur das halbe Leben

Ordnung ist nur das halbe Leben

Titel: Ordnung ist nur das halbe Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emma Flint
Vom Netzwerk:
Unvollendung.
    Dabei war es überhaupt nicht nötig, dass er wie ein Schwachkopf aussah. Denn eigentlich war er ein hübscher Kerl mit braungrünen Augen, vollen Lippen und einem schicken Muttermal auf dem rechten Wangenknochen, das ihn interessant machte. Er war wie mein Vater sehr groß, fast eins neunzig, aber ziemlich dünn. Seine Magerkeit betonte er mit einem langen, schwarzen Mantel und einer schwarzen, engen Lederhose. Dazu trug er Doc Martens und ein hellgraues Hemd, das vom Faltenwurf her dem Gesicht meiner Oma ähnelte und in mir den starken Drang auslöste, ein Reisebügeleisen zu kaufen. Ich fragte mich wieder, wann mein Bruder beabsichtigte, die Ich-bin-jung-und-brauche-kein-Geld-Phase zu beenden und sein Leben richtig zu beginnen. Immerhin war er auch schon siebenundzwanzig, wohnte in seinem alten Saustall bei meinen Eltern und hatte – bis auf eine abgebrochene Lehre als Tierpfleger, ein abgebrochenes Biologiestudium und diverse Nebenjobs – noch nichts geleistet. Aber meine Eltern sagten immer, er würde seinen Platz im Leben schon noch finden. Dabei hatte er ihn längst gefunden. Im Hotel Mama.
    »Hey, da sind Ellen und Arne«, sagte ich erfreut zu Jens und zog ihn zu meiner Freundin, die mit Mann, Kind und Mutter im Schlepptau gerade auf dem Vorplatz eintraf.
    Wir begrüßten uns alle. Ellen sah etwas erschöpft aus hinter ihrer roten Hornbrille.
    »Fritz hat schlecht geschlafen«, sagte sie und schob sich einen Kaugummi in den Mund. Sie hatte mal irgendwo gelesen, dass die Beschäftigung der Kaumuskulatur den Appetit dämpfen würde, was ich angesichts ihrer neu erlangten Körperausmaße eindeutig als Gerücht klassifizieren konnte.
    »Das holt er jetzt nach«, sagte ich und schaute in den Kinderwagen, in dem der knapp einjährige Fritz friedlich schlummerte.
    Dagmar, Ellens Mutter, fummelte an seiner Decke rum. »Ist ihm nicht zu kalt?«
    »Nein«, sagte Arne, Ellens Mann, schnell, »du siehst doch, dass er gut schläft.«
    »Also, was war das gestern für eine Aktion mit deinem Hund?«, fragte Ellen. »Irgendwie habe ich das nicht ganz kapiert.«
    Während ich ihr die Kurzversion erzählte, unterhielt sich Jens mit Ellens Mann Arne über ihr Lieblingsthema, Autos, und Dagmar schob den Kinderwagen auf der Stelle hin und her, bis Arne sagte: »Halt mal an.«
    Er drängte sie zur Seite und kramte in der Tasche, die am Lenker hing. Dagmar wartete, dass Arne seinen Platz am Lenker wieder räumte, er blieb aber dort stehen und versperrte seiner Schwiegermutter den Blick auf ihren Enkel, während er sein Gespräch mit Jens weiterführte. Das schien Dagmar nicht zu passen. Sie ging um Arne rum und quetschte sich zwischen ihn und Jens und legte die Hände von der Seite auf den Kinderwagen.
    »Ich zeige dir meinen neuen BMW , Jens«, sagte Arne und schob mit einem Ruck den Kinderwagen an.
    »Aua!«, rief Dagmar und ließ den Kinderwagen los. »Du bist mir gegen den Fuß gefahren!«
    »Sorry«, sagte Arne. In dem Moment begann der Einlass für unsere Hochzeitsgesellschaft.
    »Dann zeige ich ihn dir eben nachher«, sagte Arne zu Jens.
    »Soll ich mit Fritz draußen warten?«, bot Dagmar an. »Dann stört er nicht, wenn er aufwacht.«
    »Das wäre vielleicht …«, sagte Ellen.
    »Nein«, sagte Arne und schob den Kinderwagen Richtung Rathauseingang.
    Im Gedränge stießen wir auf meine Freundin Saskia. Sie war schön wie immer mit ihren schokobraunen, leicht gelockten Haaren und dem perfekten Styling mit dezentem Make-up, einem schwarzen Kostüm und sandfarbenem Kamelhaarmantel.
    »Schön, dass sie heiraten«, sagte sie mit ihrer dunklen Stimme.
    »Endlich wirst du vernünftig«, lachte ich. »Sonst sagst du doch immer, es sei total sinnlos, dass Leute heiraten.« Saskia war Scheidungsanwältin und arbeitete seit knapp zwei Jahren in der Kanzlei ihrer Eltern.
    Saskia runzelte die Stirn und zog ihren kirschroten Knutschmund zu einer Schnute. »Das war vorher«, sagte sie vergnügt. »Bevor ich wusste, wie viel Spaß Scheidungen machen. Meine Eltern haben ja immer schon gesagt, dass es toll ist, aber wie toll, das weiß ich jetzt erst.« Sie grinste. »Ich habe meinen ersten Fall gewonnen. Alleine!«
    »Na, dann meinen herzlichen Glückwunsch, Frau Anwältin«, sagte Jens.
    »Ja, auch von mir«, warf ich ein. »Aber eines ist dir schon klar, oder? Nicht jede Ehe wird geschieden!« Ich lachte etwas zu laut und nahm Jens’ Hand. »Manche bleiben auch glücklich bis an ihr Lebensende.«
    »Ach, Schätzchen!«,

Weitere Kostenlose Bücher