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Ordnung ist nur das halbe Leben

Ordnung ist nur das halbe Leben

Titel: Ordnung ist nur das halbe Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emma Flint
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sagte Saskia mit mildem Lächeln. »Glück ist nichts weiter als erfolgreicher Selbstbetrug.«
    Ich drückte Jens’ Hand noch fester und ließ sie erst wieder los, als es vor der Tür zum Trauzimmer eng wurde.
    Mein Bruder wurde neben mich gespült und raunte mir zu: »Schwesterherz, kannst du mir fünfzig Euro leihen?«
    Ich warf ihm einen scharfen Blick zu. »Wofür brauchst du das denn schon wieder?«
    »Ich brauch es halt, okay?«, sagte er. »Komm, hab dich nicht so. Oder bist du jetzt echt schon so ein Kapitalist geworden?«
    Schon der Zweite heute, der mich mit einer Anspielung auf meinen Job nervte. Und um zu beweisen, dass das natürlich nicht stimmte, gab ich ihm zähneknirschend das Geld.
    »Aber ich kriege es zurück«, sagte ich pädagogisch wertvoll.
    »Natürlich, Schwesterherz«, antwortete er und grinste mich an. Ich glaubte ihm kein Wort.
    Das Brautpaar saß schon auf ihren Stühlen vor der Standesbeamtin, Töchterchen Mia auf dem Schoß. Anja hatte ihre frühere Abneigung gegen Kleider aufgegeben und sich dem Rockabilly-Stil verschrieben. Sie trug ein schwarz-weißes Polkadot-Kleid mit Petticoat und großer Schleife um die Taille. Unter den kurzen Ärmeln ragten ihre bunten Betty-Boop-Tätowierungen hervor. Der hohe Pferdeschwanz war mit einer roten Stoffrose geschmückt. Daniel hatte einen schwarzen Anzug und ein rotes Rüschenhemd an, dazu schwarz-weiße Creepers. Die Haare waren mit Gel zu einer schicken Tolle geklebt. Baby Mia war ebenfalls im Rockabilly-Look gekleidet und trug das winzigste Petticoatkleid, was ich jemals gesehen hatte.
    Jens warf mir angesichts des extravaganten Brautpaars einen bedeutungsvollen Blick zu, den ich mit einem Augenrollen erwiderte. Zu solchen Geschmacksverirrungen hatten wir uns noch nie hinreißen lassen.
    Die Standesbeamtin schlug ein wichtig aussehendes Buch auf und räusperte sich, da ging die Tür noch einmal auf, und meine Eltern kamen herein. Ich stöhnte leise auf. Meine Mutter trug ein rotes Wildseidenkleid, das sie mit einem grünen Ledergürtel, einem blau-grünen Schal und vor allem einer grün-schwarz-lila karierten blickdichten Strumpfhose seiner zarten modischen Vorzüge beraubte. Mein Vater machte mit seinem milchkaffeefarbenen Nadelstreifenanzug, der bordeauxroten Fliege und der Schiebermütze einen auf »Großer Gatsby«, da er aber über zwei linke Füße verfügte und über jede Fliesenfuge zu stolpern neigte, gerieten er und seine Dandy-Ausstrahlung schon kurz hinter der Tür ins Straucheln. Kopfüber gebeugt konnte er sich nur durch ein paar schnelle Schritte und raumgreifendes Armrudern vorm Hinfallen bewahren. Ich musste weggucken, so peinlich fand ich das – im Gegensatz zu meinem Vater.
    »Hallo«, rief er, wieder im Gleichgewicht und nicht im Geringsten verlegen. »Und Vorsicht! Da vorne hat sich gerade Blitzeis gebildet.«
    Er guckte in die Runde wie ein Stand-up-Comedian in Erwartung seines Applauses. Dabei kam mir plötzlich in den Sinn, dass er sowohl Unpünktlichkeit wie auch Tollpatschigkeit ganz bewusst einsetzte, um Aufmerksamkeit zu erlangen.
    »Das nächste Mal streuen wir für dich, Manni«, rief Anja und warf ihm eine Kusshand zu.
    Aus unerfindlichen Gründen fand sie meine Eltern amüsant. Aber vielleicht lag das daran, dass sie selbst auch nicht ganz richtig im Kopf war. Sie war jedenfalls die Einzige gewesen, die sich kein bisschen pikiert gezeigt hatte über den Auftritt meiner Eltern vor meiner Verlobung. Sie hatte nur mit den Schultern gezuckt und gesagt: »Na und? Lass sie doch machen.«
    Nein. Nein. Und nochmals nein. So etwas durften Eltern einfach nicht tun. Und schon gar nicht, wenn ich aufgrund meiner Verlobung von Rechts wegen auf Wolke sieben schweben müsste. Und nicht nur das. Vier Tage vor der Verlobungsfeier hatte ich die tolle Nachricht bekommen, dass ich zukünftig bei der Höveler & Wulf Vermögensverwaltungs- AG als Wertpapierspezialistin arbeiten würde! Eigentlich hätte die Feier ein rauschendes Fest werden sollen. Aber dann wurde es eine Katastrophe.

4
    Wir feierten unsere Verlobung in einem großen Zelt im Garten von Jens’ Eltern, zwei herzensguten Menschen mit Pepitahüten und rosigen Wangen. Sie waren das Gegenteil meiner Eltern. Oder wie Saskia sagen würde: »Leute mit hohem Stimmungsgerinnungsfaktor«. Sie waren sanft und schüchtern, trugen Tweedkleidung in gedeckten Farben, redeten niemals laut und servierten Kaffee in einem Service mit goldenen Rändern. Jens’ Mutter, Astrid, trug

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