Ordnung ist nur das halbe Leben
gefeilt und auch noch Zeit gehabt, sie in einem schicken Nude-Ton zu lackieren. Als sie trocken waren und Jens immer noch nicht fertig war, klopfte ich an die Badezimmertür.
»Wie lang brauchst du denn noch?«, fragte ich, und es klang vielleicht ein klitzekleines bisschen gereizt.
»Ich brauche so lange, wie ich eben brauche«, gab er pampig zurück.
»Was macht der denn?«, brummte ich genervt vor mich hin. »Kämmt er sich jedes Haar einzeln oder was?«
Um zehn nach elf kam er raus, ein Handtuch um die Hüften gebunden, wohl duftend, glatt rasiert, das Haar perfekt zur Seite gestriegelt. Was nicht perfekt war, war das Badezimmer. Es war immer noch voller Dampf, weil er natürlich nicht auf die Idee gekommen war, das Fenster zu öffnen. Der Boden war nass. Die Toilette war mit Tropfen gesprenkelt. Überall lagen feuchte Handtücher. Der Spiegel war total beschlagen, bis auf die Stelle, die er mit einem Tuch trocken gewischt hatte, was totale Schmierstreifen gab. Ich hatte ihm schon tausendmal gesagt, dass ich das hasste.
»Reg dich nicht auf«, beruhigte ich mich selbst und atmete tief ein und aus, wie ich es auf einem Stressseminar gelernt hatte. Ich holte mir trockene Handtücher aus dem Schrank und nahm mir vor, erst morgen alles zu putzen. Ich duschte mich in Windeseile, trocknete mich in Windeseile ab, wickelte mir ein Handtuch um die Haare und lüftete das Badezimmer, damit ich mich nicht im Nebel schminken musste, dann ging ich mich anziehen.
Ich war gerade mit dem rechten Fuß in die Nylonstrumpfhose gestiegen, da kam Jens herein. Er trug schon die dunkelblaue Anzughose und ein Hemd.
»Guck mal hier«, sagte er.
»Was denn?«, rief ich und schaute kurz hoch, und in dem Moment passierte es: Mein vielleicht etwas zu perfekt gefeilter Fingernagel rutschte zu tief in den feinen Stoff der Strumpfhose und ratschte sie auf. Ich stöhnte.
»Der Kragen von meinem Hemd ist schief«, sagte Jens. »Der ist falsch gebügelt worden.«
»Dann bügle ihn halt schnell richtig«, knurrte ich genervt und holte mir eine neue Strumpfhose aus der Kommode.
»Du kannst das doch viel besser als ich«, behauptete Jens. »Jedenfalls normalerweise.«
»Ich habe aber keine Zeit«, sagte ich. Ich hasste es, wenn man mich in der Vorbereitung auf eine Feier hetzte. Der halbe Spaß an einer Feier war das Fertigmachen.
»Wenn du den Kragen von Anfang an richtig gebügelt hättest, dann hätte ich jetzt kein Problem«, argumentierte er. »Von daher, hier bitte!« Er hielt mir das Hemd hin.
»Wenn du im Badezimmer nicht so lange gebraucht hättest, dann hätte ich dafür jetzt auch noch Zeit«, motzte ich zurück. »Zieh eben ein anderes Hemd an.«
»Die anderen passen farblich nicht.«
Ich schaute ihn mürrisch an. Irgendwie hatte er immer die besseren Argumente.
»In der Zeit, die wir hier diskutieren, hättest du das doch schon längst machen können«, beharrte er.
Ich stöhnte erneut und nahm das Hemd entgegen. Ich sollte dringend mal einen Rhetorikkurs für Frauen in Beziehungen belegen. Aber jetzt hatte ich tatsächlich keine Lust, noch mehr Zeit mit Debattieren zu verplempern, und ging schnell in unser Bügelzimmer, wo die Kleiderschränke standen und das Bügelbrett aufgebaut war. Als ich ihm das neu gebügelte Hemd wieder gab, bedankte er sich mit einem strahlenden Lächeln und gab mir einen Kuss.
»Du bist die Beste, Schatz«, hauchte er.
Ich schnupperte. »Hast du etwa wieder meine Chanel-Creme benutzt?«
»Ja. Du hast doch nichts dagegen, oder?«
»Nein, natürlich nicht«, sagte ich schnell. »Aber willst du nicht mal eine eigene kaufen?«
»Ach, das lohnt sich doch nicht.«
»Würde es schon«, sagte ich schnippisch. »So oft, wie du meine nimmst!«
»Du wirst doch nicht etwa geizig, jetzt wo du mehr verdienst als ich?«, fragte er mit süffisantem Lächeln.
Ich musste schlucken. Aber eine passende Erwiderung verkniff ich mir, weil ich einen richtigen Streit vermeiden wollte. Nichts sollte an diesem Tag unsere Traumpaar-Ausstrahlung trüben. Eine Hochzeit war nämlich der perfekte Anlass, allen Anwesenden zu beweisen, dass wir füreinander bestimmt waren und dass es keineswegs zu früh war, um zu heiraten, wie meine Eltern meinten. Um einen besonders glücklichen Eindruck zu machen, hatte ich mir ein Kleid von Donna Karan New York gekauft.
Es war silbergrau und wadenlang, hatte einen runden Ausschnitt und eine raffinierte schräge Raffung, was meine schlanke Taille gut zur Geltung brachte. Dazu
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