Ordnung ist nur das halbe Leben
einzige Wohnelement, das mir auf Anhieb gefiel.
»Die beste Zeit zum Gießen ist nach Sonnenuntergang«, sagte er und zeigte mir im Garten eine altmodische Pumpe, die ich benutzen sollte, um Regenwasser zu zapfen. »Nur zur Not nehmen Sie Leitungswasser, aber dann auch nur abgestandenes.«
»Klar«, sagte ich. Er hielt mir einen kurzen Vortrag über den Kalkgehalt des Wassers und warum und auf welche Weise dieser auf jeden Fall niedrig gehalten werden musste.
»Mindestens viermal die Woche müssen Sie gießen. Je nach Wetterlage auch täglich. Ich gebe Ihnen noch einen genauen Gießplan, welche der Bäumchen viel und welche wenig Wasser brauchen, je nach Tageshöchsttemperatur.«
»Ist gut.«
»Dies hier ist das Prachtexemplar meiner Sammlung, das gleichzeitig auch ein bisschen mein Sorgenkind ist.« Er zeigte auf ein Bäumchen von etwa sechzig Zentimetern Höhe mit hellgrünen Nadeln. »Diese Lärche ist über vierzig Jahre alt. Ihr Wert liegt bei weit über tausend Euro.« Er sah mich scharf an. »Sie verstehen, warum ich etwas pedantisch bin, wenn es um meine Pflanzen geht.«
Ich nickte. »Natürlich.«
»Sie ist total empfindlich und in den letzten Jahren kaum noch gewachsen. Seien Sie damit bitte besonders vorsichtig.«
»Natürlich«, wiederholte ich.
»Ich kann mich doch auf Sie verlassen, oder?«
»Ja, sicher«, sagte ich, dabei hätte ich am liebsten geschrien: Ich mache das nicht. Das ist mir viel zu heikel. Was wenn das Ding hier eingeht?
Und dann machte mein Chef auch noch einen äußerst geschmacklosen Scherz: »Wenn nicht, müsste ich Sie auch feuern.« Er lachte dröhnend, dabei war das kein bisschen lustig.
»Machen Sie sich keine Sorgen«, sagte ich tapfer. »Ich werde Ihnen schon zeigen, dass ich nicht nur Depots, sondern auch Grünpflanzen zum Wachsen bringen kann.« Das hatte ich mir vorher zurechtgelegt.
Er lachte. »Gut, dass ich Sie eingestellt habe. Ach so«, fügte er hinzu. »Am Mittwochabend wird ein Paket geliefert, ein neuer Bonsai, der geradewegs aus Japan kommt. Bitte nehmen Sie diesen entgegen, ja? Und packen Sie ihn vorsichtig aus. Hier soll er hin.« Er zeigte mir die Stelle auf der Terrasse. »In Ordnung?«
»Ja, natürlich.« Mein Gott. Ich war ja schon so devot wie ein englischer Butler.
»Dann kann ich ja beruhigt fahren«, sagte er und lachte heiser, und man merkte ihm an, dass er kein bisschen beruhigt war.
Ich wollte mich gerade verabschieden, da kam seine Frau noch einmal angerauscht. »Ach, Sie müssten mir auch noch was aus der Reinigung abholen.«
»Wie bitte?« Jetzt wurde es mir aber langsam doch zu bunt.
»Das ist doch kein Problem, Frau Steckelbach. Liegt doch auf dem Weg«, meinte Höveler kurzerhand.
»Und noch etwas«, sagte Frau Höveler. »Ich muss Sie wohl nicht erst darauf aufmerksam machen, dass wir über einige besondere objets verfügen.« Objets sprach sie französisch aus, um ihre Vornehmheit zu betonen. Sie deutete in den Raum hinein und zeigte auf einen bombastischen weißen Sessel. »Zum Beispiel dieser unersetzliche Massagesessel hier. Das Wildleder stammt von chilenischen Ziegen und ist sehr empfindlich. Oder auch diese Skulpturen von DeZappo.« Das waren die scheußlichen Katzendinger. »Und das Gemälde von Rottgenbach.« Sie zeigte auf eine Leinwand mit einer schwarzen Farbfläche. »Die sind wirklich einzigartig und sehr wertvoll. Ich erwarte alles so vorzufinden, wie wir es morgen früh verlassen.«
»Natürlich«, sagte ich.
»Dann ist ja alles klar«, fasste Höveler zusammen. »Wenn irgendetwas sein sollte, rufen Sie mich an.« Er überreichte mir den Hausschlüssel und entließ mich.
Am Montagabend trat ich das erste Mal den Gießdienst an. Es war seltsam, alleine in dem Haus meines Chefs zu sein. Ich fühlte mich wie ein Eindringling im Museum für gehobene Wohnkunst. Ich pumpte die exakte Menge Regenwasser in eine Plastikkanne und füllte das Wasser um in eine spezielle Bonsaigießkanne aus Messing mit extra schmaler Tülle. Damit goss ich die Blumen ordnungsgemäß. Ich hatte mir extra einen weichen Mikrofaserlappen mitgebracht, mit dem ich jeden verschütteten Wassertropfen sofort aufsaugen könnte. Als ich diese Pflicht erledigt hatte, fühlte ich mich erleichtert. Ich traute mich noch nicht einmal, das Wildleder des Massagesessels zu berühren, aus Angst, ein Staubkörnchen oder ein Nanopartikel Fingerschweiß könnte darauf kommen. Das Blumengießen bei meinem Chef war insgesamt aufreibender, als in griechische
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