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Ordnung ist nur das halbe Leben

Ordnung ist nur das halbe Leben

Titel: Ordnung ist nur das halbe Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emma Flint
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bin’s, Moni«, rief ich.
    »Wer?«
    »Die Schwester von Hannes.«
    »Ah, ja klar, die schöne Puna Monday! Komm rauf, Babe.«
    Alles in mir schrie: Hau ab, lass die Penner ihren Mist alleine regeln. Und trotzdem ging ich die Treppe hoch. Kalle stand – langes Fetthaar, Kapuzenshirt, altersschwache Jeans – in einer Wolke aus Krach in der Tür. Wie diese Band wohl hieß? Hirnzellenmassaker vermutlich.
    »Hey, Babe. Mann, du siehst Bombe aus.« Kalle machte Anstalten, mich zu umarmen, aber ich blieb einfach im Hausflur stehen.
    »Ich wollte nur schnell das Regal abholen«, sagte ich.
    »Geht klar. Hier ist es.« Er zeigte auf einen Haufen Bretter, die im Flur an der Wand lehnten. Ich rührte mich nicht.
    »Hat Hannes nicht angerufen und Bescheid gesagt, dass ich komme?«
    »Doch. Hat er.«
    »Er meinte, du würdest mir beim Tragen helfen.«
    »Sorry, Babe. Kann nicht!« Er hielt einen Finger hoch, den ein schmuddeliger Verband zierte. Er hatte sich bestimmt beim Kiffen den Finger geprellt.
    Und so schleppte ich in meinem Business-Outfit und den neuen Schuhen von Ralph Lauren die staubigen Bretter eines schäbigen Regals drei Stockwerke hinunter. Meinem Rücken tat das gar nicht gut. Er tat immer noch weh von dem unruhigen Schlaf in meinem leeren Bett.
    Vielleicht schlief ich auch schlecht, weil ich Rückenschmerzen hatte, dachte ich auf einmal. Egal. Fest stand: Diese Sache hier machte es noch schlimmer. Ich verfluchte meinen Bruder, seinen Kumpel und meine dämliche Gutmütigkeit und trug stumm fluchend noch zwei Boxen runter.
    Als ich das letzte Mal hochging, um den Verstärker zu holen, sagte Kalle: »Fünfzig Euro hatte ich mit Hannes ausgemacht.«
    »Wie bitte?«
    »Für fünfzig Mäuse kriegt er den Kram.«
    »Ich dachte, er schenkt dir das Zeug.«
    Kalle lachte. »Nee. Aber wenn du das Geld nicht hast, dann bring das Zeug einfach wieder rauf.«
    Als ich beim Haus meiner Eltern ankam, war es kurz nach halb neun. Die Sonne sandte goldene Strahlen über die grünen Pappeln, die den Rhein säumten. Die Vögel zwitscherten. Die Luft war frisch, aber immer noch warm. Genauso warm würde meinem Bruder gleich werden, wenn ich ihm die Standpauke hielt.
    »Hannes?«, rief ich, als ich in den Hof ging.
    Doch nur Banjo begrüßte mich. Sonst war keiner da. Eine dunkle Vorahnung überfiel mich. Ich warf Banjo noch einen Hundekuchen hin, sprang in mein Auto und raste den einen Kilometer zum Haus meines Chefs. Hannes’ Fahrrad lehnte am Zaun.
    Okay, beruhigte ich mich, es wird alles in Ordnung sein. Er stellt vielleicht gerade nur das Paket in den Flur. Ich klingelte. Keiner machte auf.
    »Hannes!«, rief ich, aber die dicke Bronzetür ließ natürlich nicht den leisesten Mucks durch.
    Ich versuchte, ihn auf seinem Handy anzurufen, aber darauf reagierte er auch nicht. Ich klingelte noch mal Sturm, aber nichts tat sich. Dann würde ich eben durch den Garten gehen. Leider war das Gartentor abgeschlossen. Das durfte doch nicht wahr sein! Ich würde auf keinen Fall über das Tor klettern wie ein Einbrecher. Aber Hannes war gerade alleine in diesem Haus und stellte wer weiß was an. Stöhnend stemmte ich einen Fuß auf einen steinernen Löwen, der den Garteneingang bewachte, und schwang das andere Bein über das Törchen. Beim Runterspringen verknackste ich mir fast den Fuß, und der Aufprall verursachte außerdem eine neue Schmerzenswelle in meinem Rücken. Ich humpelte durch den Garten, am Kirschbaum vorbei und um das Haus herum bis zur Terrasse. Das Flackern des Fernsehers sah ich durch das Fenster. Aber das war bei Weitem nicht das Schlimmste.
    Mein Bruder lag, die Augen entspannt geschlossen, auf dem unersetzlichen weißen Massagesessel aus chilenischem Ziegenwildleder.
    »Oh mein Gott!«, schrie ich und hämmerte gegen die Terrassentür.
    Endlich bemerkte er mich. Grinsend öffnete er. »Mann, das Teil ist der Hammer«, sagte er und ließ sich wieder darauf plumpsen. »Das wird sogar warm!«
    »Was habe ich dir gesagt? Was habe ich dir gesagt ?«, kreischte ich. »Du solltest nichts anfassen! Nichts!!!«
    »Reg dich ab. Ist doch nichts passiert.«
    »Steh auf«, schrie ich. »Steh sofort auf!«
    »Du bist grausam«, kommentierte Hannes, bequemte sich dann aber doch, seinen Platz zu verlassen.
    Hektisch untersuchte ich den Sesselbezug und atmete auf. Mein Bruder schien seine saubere Phase durchzumachen. Kein Fleck zu sehen. Ich strich das Leder glatt.
    »Hast du das Paket entgegengenommen?«
    »Logo.« Er zeigte auf einen

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