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Ordnung ist nur das halbe Leben

Ordnung ist nur das halbe Leben

Titel: Ordnung ist nur das halbe Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emma Flint
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Staatsanleihen zu investieren.
    Jeden Morgen schaute ich mir genau die Wettervorhersage an und achtete auch darauf, welche Höchsttemperatur erreicht wurde, damit ich auf jeden Fall wusste, wie groß die Gießmenge sein musste.
    Das Kleid von Jutta Höveler holte ich ebenfalls aus der Reinigung. Erstaunt stellte ich fest, dass es kein piefiges Reiche-Frauen-Kleid war, sondern ein ausgesprochen hübsches weißes Sommerkleid mit rotem Gürtel und rotem Saum an dem weit schwingenden Rock. Ein bisschen 1950er-Jahre, aber nicht so ein Rockabilly-Fummel, wie Anja sie trug, sondern ein echt edles Designerschmuckstück. Escada Vintage. Wirklich hübsch.
    Leider hatte ich keine Anweisungen bekommen, wo ich das Kleid hinhängen sollte. Die Garderobe war voller Mäntel und Jacken. Und da ich im Erdgeschoss keinen Haken fand, an den ich das Kleid hängen konnte, wagte ich mich nach oben und entdeckte linker Hand das Ankleidezimmer. Dort ragte eine kurze Kleiderstange aus dem Schrank, aber es wäre ja eigentlich am besten, wenn ich das Kleid staubgeschützt in den Schrank hängen würde.
    Nicht, dass ich neugierig auf ihre Garderobe war. Auf keinen Fall! Aber wenn ich das Kleid hineinhängen musste, dann konnte ich schon mal einen Blick riskieren.
    Und der lohnte sich! Ich befühlte ehrfürchtig ein luftiges Chiffonkleid in Hellgelb und ein fliederfarbenes aus Satin. Dann riss ich mich zusammen, schloss die Schranktür wieder und ging schnell raus. Ich war einfach zuverlässig. Der Chef konnte sich freuen, dass er so eine Mitarbeiterin wie mich hatte.
    Am Mittwochnachmittag auf der Arbeit klingelte mein Handy.
    »Hey, Schwesterherz«, sagte Hannes. »Wie läuft’s?«
    »Hannes!«, sagte ich überrascht. »Was kann ich für dich tun?«
    »Nichts!«, sagte er. »Ich wollte was für dich tun.«
    »Ach ja? Erstaunlich.«
    »Ich wollte dir die fünfzig Euro zurückgeben, die du mir auf der Hochzeit geliehen hast.«
    »Echt jetzt? Das wäre ja mal was ganz Neues. Und dann auch schon nach zwei Monaten!«
    »Tu doch nicht so, als ob ich dir nie was zurückgeben würde, was ich mir von dir geliehen habe. Soll ich auf der Arbeit vorbeikommen und sie dir geben?«
    »Um Gottes willen«, rutschte es mir heraus. »Äh, nein, das ist nicht nötig. Ich bin heute Abend sowieso in der Nähe, dann gucke ich schnell bei euch vorbei.«
    »Alles klar.«
    An diesem Tag erreichte die Temperatur dreiundzwanzig Komma acht Grad. Das bedeutete laut meiner eigens angelegten Exceltabelle: hundertvierzig Milliliter für die großen Bonsais, die in der Sonne standen, achtzig für die mittleren und dreißig für die kleinen, je nach Standort auch weniger. Zwischen zwanzig Uhr und zwanzig Uhr dreißig sollte der neue Bonsai geliefert werden. Den würde ich in Empfang nehmen, nachdem ich bei meinen Eltern gewesen war und das Geld bei meinem Bruder abgeholt hatte.
    Meine Eltern waren nicht da, wie ich an dem fehlenden Auto bemerkte. Mein Vater hatte einen alten Fiat Ducato: ein alter, klappriger Bus, der wie durch ein Wunder den letzten TÜV überstanden hatte. Mein Vater brauchte ihn als Wohnmobil und als Transportmittel für die Objekte, die er restaurieren sollte. Meine Mutter hatte keinen Führerschein, genauso wenig wie mein Bruder. Ich begrüßte natürlich erst meinen süßen Banjo, der mir durch die offene Haustür entgegengelaufen kam.
    »Ich vermisse dich so«, sagte ich und streichelte sein struppiges Fell. »Ich muss mir wirklich was überlegen, wie das mit uns weitergehen soll.«
    Banjo legte den Kopf schief und grinste mich an. Zumindest sah es so aus.
    »Schon gut«, sagte ich und zog einen Hundekuchen aus der Tasche und steckte ihm ihn zu.
    Meinen Bruder fand ich am Küchentisch, wo er die Zeitung las. Er sah anders aus als sonst. Ich musste dreimal hingucken, bis ich bemerkte, was es war. Erstens waren die Ringe unter seinen Augen nicht ganz so gigantisch, zweitens war sein T-Shirt hellgrün und vor allem sauber, und drittens hatte er seine Haare geschnitten – oder zumindest gewaschen und gekämmt. Er sah richtig manierlich aus.
    »Hier hast du dein Geld«, sagte er und schob mir einen nagelneuen Fünfzig-Euro-Schein über den Tisch.
    »Danke.« Ich nahm das Geld. »Gut siehst du aus.«
    Er grinste mich an.
    »Was ist los?«
    »Es gibt Neuigkeiten. Du erinnerst dich doch an die Hochzeit von Anja und Daniel, oder?«
    »Natürlich. Du auch?«
    »Ha, ha«, machte er. »Auf jeden Fall, dieses Mädchen. Lisa. Wir sind zusammen.«
    »Immer noch?«,

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