Ordnung ist nur das halbe Leben
Wohngegend ausspionierte, um Einbrüche vorzubereiten. »Und ausgerechnet jetzt ist Jens nicht da«, seufzte ich.
»Ja, mit diesem reizenden jungen Mann im Haus fühle ich mich auch sicherer«, sagte Frau Kaufmann. »Wie ergeht es ihm denn in der Fremde?«
»Gut«, sagte ich und fügte im Geiste hinzu: Soweit ich weiß. Ich höre ja nichts von ihm.
Dann versicherten wir uns gegenseitig, dass wir sehr wachsam sein würden, und ich ging wieder zurück in meine Wohnung. Ich stellte mich an den Schreibtisch, von dem man einen guten Blick auf die Straße hatte. Plötzlich schaute die Frau zu unserem Fenster. Sie bemerkte, dass ich sie sah, und ich fühlte mich ertappt. Mir wurde mulmig, und als das Telefon schrillte, erschrak ich. Hoffentlich war es jetzt nicht Nscho-Tschi, die mir sagte, dass sie mich beobachtete und irgendwann kriegen würde oder irgend so was Unheimliches. Aber vielleicht war es Jens. Mit bummerndem Herzen nahm ich ab.
»Hör mal, Puna«, dröhnte mein Vater ohne Umschweife. »Die haben die Landschaftsschutzschilder weggemacht.«
»Aha«, meinte ich desinteressiert. Was die jetzt wieder für eine neue Idee hatten, interessierte mich nicht die Bohne.
»Die haben die einfach abmontiert. Ist das nicht furchtbar?«
»Ja, ganz schlimm«, sagte ich. »Hör mal, Papa, ich kann nicht telefonieren. Jens ruft gleich an.«
»Aber …«
»Ich leg jetzt auf«, sagte ich und drückte ihn weg. Ich nahm meine Tasche und verließ das Haus. Ich musste jetzt wissen, was es mit dieser Frau auf sich hatte. Doch als ich auf die Straße gelaufen kam, fuhr sie gerade weg.
Die Eingangstür des Hauses meines Chefs war aus Bronze und vermutlich massiv genug, um Atomstrahlen abzuhalten. Frau Höveler öffnete. Sie war der Prototyp der Frauen reicher Männer: modelgroß und schlank wie eine Selleriestange, das Kostüm von Chanel, die Wangen prall von tiefenwirksamen Nährstoffen für die reife Haut, darüber ein Hauch Make-up mit lichtreflektierenden Pigmenten. Der Blick aus ihren perfekt geschminkten Augen ohne Gefühlsregung.
»Ja, bitte?«, fragte sie geschäftsmäßig.
»Moni Steckelbach«, stellte ich mich vor. »Ich gieße Ihre Blumen während Ihres Urlaubs.« Ich klang wie ein Dienstbote, und das ärgerte mich.
»Ah ja, kommen Sie rein«, näselte sie und führte mich in den klobigen Wohnklotz.
Ein solches Haus hatte ich noch nie gesehen. Im Flur hingen ein Dutzend überdimensionale Schwarz-Weiß-Fotos von meinem Chef und seiner Frau mit glänzenden Augen und wehenden Haaren. Narziss ließ grüßen.
»Die Bilder stammen von dem Starfotografen John Schlosser«, sagte Jutta Höveler, als sie meinen Blick bemerkte. »Sie waren ein Geschenk zum zehnten Hochzeitstag.«
Das machte es auch nicht besser, dachte ich, sagte aber natürlich nichts. Am Ende des Flurs erreichten wir eine offene Wohnlandschaft mit Küchenbereich und einem gigantischen Ess- und Wohnzimmer mit cremefarbenem Marmorboden ohne einen einzigen Kratzer. Die Wände glänzten in einem zarten Weiß mit hellgelben Akzenten, als wären sie mit einer Folie bespannt.
»Das ist Stucco Veneziano «, informierte mich Frau Höveler. Als ob mich das interessieren würde. »Eine spezielle italienische Kalkputztechnik.«
»Schön«, sagte ich, dabei fand ich es abscheulich, weil es mich an das wasserfeste Wachstuch erinnerte, aus dem meine Mutter uns früher ihrer Meinung nach praktische Matschhosen genäht hatte.
Die Sitzlandschaft im Wohnzimmer strahlte in Schneeweiß. Ich musste fast grinsen bei der Vorstellung, wie solche Möbel bei meinen Eltern nach kürzester Zeit aussehen würden. Unmöglich: die Vorstellung, dass hier Kinder durchjagten oder ein Haustier sein Revier hätte. Die einzigen Tiere, die hier erduldet wurden, waren stilisierte Katzenskulpturen aus silbernem Metall, die mit ihren gesichtslosen schwarzen Köpfen wie Mutanten aus einem Horrorstreifen aussahen. Wenigstens haarten sie nicht. Natürlich fand ich Sauberkeit hervorragend, aber das Haus meines Chefs war in etwa so einladend wie ein Designerzahnarztstuhl – man wusste, dass er bequem war, aber man wollte trotzdem nicht darin sitzen.
Höveler kam durch die weite Terrassentür herein und zeigte mir seine Pflanzen. Die Bonsaisammlung stand teilweise auf dem Fensterbrett im Wohnzimmer, zum Teil auf der großzügigen Terrasse. Am Rand der Terrasse war in den Bangkirai-Boden ein Whirlpool eingelassen, mit einem überwiegend türkisfarbenen Mosaik, das im Licht der Sonne schimmerte. Das
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