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Ordnung ist nur das halbe Leben

Ordnung ist nur das halbe Leben

Titel: Ordnung ist nur das halbe Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emma Flint
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Karton, der auf der Theke zwischen Küchen- und Essbereich stand.
    »Gut«, sagte ich. »Dann geh nach Hause. Ich packe das Ding aus und komme gleich nach.«
    »Okeydokey.« Bevor er sich verdünnisierte, drehte er sich noch mal zu mir um und sagte: »Danke, Bruderherz, dass du das Paket entgegengenommen hast.«
    Ich warf ihm einen giftigen Blick zu.
    »Gern geschehen, Schwesterchen«, antwortete er sich selbst, dann war er weg.
    Als ich mir den Karton genauer anschaute, sah ich, dass er auf dem Kopf stand. Obwohl eine eindeutige Aufschrift anzeigte, wo oben und unten war. Ich drehte ihn um und öffnete ihn vorsichtig. Darin war ein durchsichtiger Plastikbehälter mit dem Bonsai, einem Azaleenbäumchen mit knorrigem, gedrehtem Stamm und verzweigten Ästchen. Die Knospen waren schon voll entwickelt, und es dürfte nicht mehr lange dauern, bis er zu blühen anfangen würde. Zum Glück war die Schale des Bonsais mit Draht am Boden des Pakets fixiert, so dass er beim Umdrehen auf den Kopf keinen Schaden genommen hatte. Als ich die Packung vorsichtig öffnete, fiel eine Handvoll Substrat heraus. Ich brachte den Bonsai auf den vorgesehenen Platz, verrichtete meinen Gießdienst und wischte dann die Substratkrümel im Wohnzimmer weg.
    Dabei entdeckte ich, dass mein Bruder doch Spuren hinterlassen hatte. Das Papierchen eines Schokoriegels lag auf dem Boden neben dem Sessel, und ich verbrachte weitere zehn Minuten damit, nach möglichen Schokoflecken zu suchen. Zu meiner Erleichterung fand ich nichts.
    Als ich wieder aufstehen wollte, schoss mir erneut ein heftiger Schmerz durch den Rücken.
    »Aua«, rief ich keuchend, denn es tat so weh, dass ich kaum gerade stehen konnte.
    Plötzlich war ich einfach nur noch hundemüde. Mein Blick fiel auf den Massagesessel. Wenn ich ein Mal – nur ganz kurz. Mein Bruder hatte es schließlich auch gemacht, und es war nichts passiert. Ich überprüfte meine Kleidung auf Schmutz. Alles sauber. Ich entschloss mich, es zu wagen, zog die Schuhe aus und ließ mich mit schmerzenden Gliedern langsam auf dem Sessel nieder.
    »Ahh«, sagte ich unwillkürlich. Es war unglaublich. Auf einer Wolke könnte man nicht besser sitzen! Der Sessel passte sich sofort an meinen Körper an und umhüllte ihn auf magische Weise. Ich musste einfach die Massagefunktion ausprobieren. Im Bereich der Lendenwirbelsäule und auf der Sitzfläche fing es an, zu vibrieren, ganz sanft und ohne ein einziges Geräusch. Und er wurde tatsächlich warm. Jetzt hätte ich gar nicht mehr aufstehen können, selbst wenn ich gewollt hätte. Ich hatte überhaupt keine Kontrolle mehr über meinen Körper, dessen einziger Sinn und Zweck auf einmal darin bestand, sich zu entspannen.
    Glockengeläut ließ mich hochschrecken. Es dauerte ein paar Sekunden, bis mir dämmerte, wo ich war. Im Haus meines Chefs. Ich musste eingeschlafen sein! Durch das Fenster sah ich, dass die Sonne schon untergegangen war, aber der Himmel war noch hellblau mit einem Rest Orange. Ansonsten konnte ich noch keinen klaren Gedanken fassen, taumelte nur durch den Flur und öffnete die Eingangstür.
    Vor mir stand ein junger Mann in Jeans und Kapuzenshirt. Er hatte kinnlange blonde Haare, die er hinter die Ohren geklemmt hatte, blaue Augen und einen blonden Bart, der am Kinn spitz zulief.
    »Entschuldigung, dass ich so spät störe – oh, habe ich dich geweckt?«, fragte er.
    »Ich weiß nicht«, sagte ich schlauerweise und kratzte mich am Kopf.
    »Also, ich bin gerade nebenan eingezogen und wollte noch was kochen. Hast du Knoblauch, den du mir leihen könntest?«
    »Ja. Nein. Ich weiß nicht.« Ich schüttelte den Kopf auf der Suche nach einem klaren Gedanken. »Komm rein«, sagte ich schlaftrunken, und erst als ich ihn hinter mir im Flur hörte, fiel mir auf, dass ich gerade den allergrößten Fehler gemacht hatte, den man nur machen konnte und vor dem jede Aktenzeichen- XY -Sendung warnte. Ich hatte einen fremden Mann ins Haus gelassen! Mit so einem billigen Trick! Und das, wo ich heute schon mal ausspioniert worden war. Und hier ganz alleine war. Und mir das Haus nicht gehörte. In dem Dutzende unersetzliche objets standen! Ich war ja so ein Idiot! Mir wurde mulmig.
    »Sind das deine Eltern?«, fragte der Typ mit Blick auf die angeberischen Schwarz-Weiß-Starfotografen-Fotos von meinem Chef und seiner Frau.
    »Ja«, sagte ich laut. »Sie sind oben. Und wenn ihnen irgendetwas Ungewöhnliches auffällt, rufen sie sofort die Polizei.«
    Er grinste. »Okay«,

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