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sich an einen Termin mit ihm erinnert hätte, ganz zu schweigen von einer Führung.
„Nein, nein, das ist kein Irrtum. Sie stehen auf der Liste.“
„Welche Liste?“
„Schauen wir mal“, sagte die Frau, und Sabrina hörte Papier rascheln. Sie spähte aus dem Büro ins Labor, wo alle zu ihr herüberstarrten. Keiner machte sich die Mühe zu verbergen, dass er mithörte. „Ja, hier steht es. Ihr Chef hat Sie als Ersatz angegeben, falls er aus irgendeinem Grund nicht verfügbar sein sollte.“
„Hat er sich krankgemeldet?“ Sabrina konnte sich nicht vorstellen, dass er ihr das absichtlich antun würde.
„Ich weiß nur, dass Dr. Lansik heute nicht im Haus ist. Also noch mal: 13 Uhr, Reaktorbereich eins.“
5. KAPITEL
Jason Brill war hocherfreut. Es war genau so gekommen, wie er es sich vorgestellt hatte. Man brauchte den Senator nur in Zusammenhang mit einem umweltpolitischen Topthema zu bringen, und schon kamen sie alle angelaufen. Mit „sie“ waren natürlich die Medien gemeint. Jason war nachträglich froh, dass er den Senator zu seinem marineblauen Anzug mit blütenweißem Hemd und roter Krawatte überredet hatte, auch wenn sein Chef beim Hemd störrisch gewesen war. Er fand, Weiß sei etwas für ultrakonservative Säcke und nicht für gemäßigte Demokraten.
Jason ließ es ganz beiläufig anklingen. Er erklärte dem Senator, er könne tragen, was er wolle, aber irgendwie mache ihn ein weißes Hemd zu dem blauen Anzug größer. Jason wusste genau, dass er nicht mehr sagen musste, denn es handelte sich um einen Fototermin, bei dem man die ganze Zeit stehen musste. Ohne etwas zu sagen, zog Senator Adams sein blaues Oxfordhemd aus und tauschte es gegen das frisch gebügelte weiße Oberhemd, das Jason für ihn zurechtgelegt hatte.
Die Fahrt von Tallahassee aus gehörte nicht zu den schönsten Strecken in Florida. Der Senator hatte Jason missbilligend einen seiner kurzen Blicke mit zusammengezogenen Augenbrauen zugeworfen, wie sie Jason nur zu gut kannte.
Es sah aus wie das Ende der Welt. Hier am Rand des Apalachicola National Forest gab es mehr Kiefern, als Jason in Florida je erwartet hätte. Die Limousine fuhr nur kurz auf der Interstate und bog dann auf eine schmale zweispurige Asphaltstraße mit unbefestigten Seitenstreifen ab, mit denen der Wagen mehrmals unangenehme Bekanntschaft machte, als ihnen überbreite Tanklaster entgegenkamen. Die Trucks ratterten unbeirrt weiter, offenbar gewöhnt daran, dass die Einheimischen ihnen Platz machten.
Zweimal gab der Chauffeur, der sich als Marek Zelenski vorgestellt hatte, bei der kleinen Machtprobe auf der Straße nach und wich zur Seite aus. Beim zweiten Mal musste er den Wagen zum Stehen bringen, woraufhin ihm eine Schimpftirade entfuhr, die nach Jasons Einschätzung Polnisch sein musste. Der Mann schaute mit bedauerndem Blick und ein paar entschuldigenden Worten in gebrochenem Englisch in den Rückspiegel und manövrierte den Wagen wieder auf die Fahrbahn.
„Sieht so aus, als hätten sie hier ein paar neue Straßen bitter nötig“, versuchte Jason die Situation etwas zu entspannen, aber der Senator schüttelte nur den Kopf.
„Abgesehen von den Lastern haben wir bisher so gut wie keinen Verkehr gesehen“, bemerkte er. „Kein Grund, dafür Zeit und das Geld der Steuerzahler zu verschwenden.“
Jason nickte zustimmend, anstatt zu erklären, dass er nur gescherzt hatte. Aber dann sah er ein Funkeln in den blauen Augen des Senators.
„Und wenig Verkehr bedeutet wenig Wähler“, fügte der Senator lächelnd hinzu. „Kein Grund also, meine Zeit und mein Geld zu verschwenden.“
In diesem Moment überlegte Jason, ob er dieses Fiasko noch bereuen würde. Immerhin war das Ganze auf seinem eigenen Mist gewachsen. Es sollte ein garantiert sicherer Weg sein, um den Senator vor dem Energiegipfel gut in Szene zu setzen und gleichzeitig von der positiven Presse zu profitieren, die EcoEnergy hatte. Und warum auch nicht? Von Anfang an hatte der Senator dem Unternehmen beigestanden. Zunächst, um Bundeszuschüsse für den Bau der Fabrik zu bekommen und später Steuernachlässe, damit die Anlage wachsen und gedeihen konnte. Seit ein paar Jahren war Eco-Energy bei UmWeltorganisationen ungeheuer populär und längst ein Liebling der Nachrichtenmedien, eine Art Leuchtfeuer im Krieg um Energie. Warum sollte der Senator daraus keinen Vorteil ziehen? Nach allem, was er getan hatte, verdiente er Lob und Anerkennung als Pionier dieser neuen
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