Organic
und im Dämmerlicht sah der Wagen aus wie eine fahrerlose Maschine, die außer Kontrolle geraten war. Als käme er geradewegs aus einem Roman von Stephen King.
Sabrina fuhr so nah am Rand der schmalen Straße, wie sie konnte. Es war zwar kein Gegenverkehr zu erkennen, aber es gab zu viele Kurven, um sich sicher sein zu können. Sie nahm den Fuß vom Gas, und die Limousine rammte ihre Stoßstange, sodass ihr Körper in den Sicherheitsgurt geworfen wurde.
Was zum Teufel ist mit dem Kerl los?
Sabrina fuhr mit dem Wagen auf den unbefestigten Seitenstreifen. Ein Reifen, dann der zweite, aber der Untergrund war rutschig, und der Wagen begann zu schlingern. Dann zog die Limousine auf die andere Spur und schob sich neben sie. Sabrina umklammerte das Lenkrad und sah auf den schwarz glänzenden Wagen neben sich. Sie konnte noch immer nichts hinter den getönten Scheiben erkennen. Und anstatt an ihr vorbeizuziehen, steuerte er direkt in ihre Seite.
Erst kam das Kratzen, dann knirschte Metall an Metall. Beim nächsten Schlag verlor Sabrina die Kontrolle über ihren Wagen, sosehr sie das Lenkrad auch festhielt. Lenken war einfach nicht mehr möglich. Die Reifen hatten keinen Asphalt und auch keinen Schotter mehr unter dem Profil. Ihr Wagen rutschte in den Seitengraben, in dem das Regenwasser stand. Sie sah nur noch Wasser und Himmel.
32. KAPITEL
Sabrina wartete, bis das Auto zum Stillstand gekommen war und ihr Herzschlag sich ein wenig beruhigt hatte. Die Scheinwerfer leuchteten in einem schiefen Winkel auf die Wipfel der Kiefern. Aus dem Seitenfenster sah sie auf Gras und Wasser. Der Airbag war nicht aufgegangen, aber der Sicherheitsgurt hatte sie im Sitz gehalten. Sie griff nach der Verriegelung, um sich loszumachen. Sobald es klickte, lehnte sie sich gegen die Fahrertür, was einen scharfen Schmerz in ihrer Schulter auslöste.
Sie hielt sich wieder ganz still und lauschte, ob sie den anderen Wagen hörte. Der Fahrer der Limousine musste doch umgedreht haben, als er sah, was passiert war.
Doch außer dem Zirpen der Zikaden vernahm sie nichts.
Sie überdachte ihre Lage. Vielleicht hatte der Mann vor lauter Eile gar nicht bemerkt, dass sie von der Straße abgekommen war. Aber wie konnte ihm das entgangen sein? Immerhin hatte er sie mit seinem Wagen gerammt.
Trotz der Schmerzen in der Schulter – Sabrina spürte, dass sie verletzt, aber nicht gebrochen war – beugte sie sich mühsam vor und griff in die Einkaufstasche, die sich am Gaspedal verfangen hatte. Als sie das Handy gefunden hatte, nahm sie plötzlich den Benzingeruch wahr. Kurz vor der Abfahrt hatte sie getankt. Bis eben war sie noch vergleichsweise ruhig gewesen.
Nun aber ergriff sie urplötzlich eine Panik, die sie fast betäubte. Die Angst wurde von einem Frösteln begleitet, als sie auch noch bemerkte, dass es um sie herum inzwischen stockdunkel geworden war. Aber sie musste aus dem Auto raus, und zwar sofort!
Sabrina zwängte ihre Beine unter dem Lenkrad hervor. Soviel sie erkennen konnte, steckte der Wagen in den zersplitterten Resten eines Zauns, der einstweilen verhinderte, dass sie ganz in den Wassergraben rutschte. Sollte sie das Auto vielleicht hineinschieben? Würde das Wasser verhindern, dass es explodierte? Vermutlich nicht. Sie versuchte die Fahrertür zu öffnen, war aber nicht überrascht, dass der Abhang das nicht zuließ. Sie musste auf die andere Seite klettern und wollte durch das Beifahrerfenster steigen. Als sie das vorsichtig versuchte, bewegte sich das Auto plötzlich erneut. Sie stockte, aber es war zu spät. Durch die Gewichtsverlagerung drehte sich der Wagen langsam, und das quietschende Metall übertönte selbst die Zikaden.
Sabrina wartete nicht, bis das Knirschen aufhörte. Auf Händen und Knien kroch sie über das Autodach, das nun der Boden war. Sie drückte gegen die Tür und atmete erleichtert auf, als die ohne Weiteres aufging. Dann kroch sie hinaus und ließ sich ins nasse Gras fallen, nur um sich gleich wieder aufzurappeln. Sie atmete ruckartig, aber das Brennen in ihrer Brust und der Geschmack von Benzin auf der Zunge trieben sie an.
Dann erreichte sie die Straße und kam endlich auf die Beine. Erst da fiel ihr ein, dass ihre Tasche immer noch am Gaspedal hing, und sie ging in Gedanken den Inhalt durch: Kreditkarten, Führerschein, Hausschlüssel. Das war ärgerlich. Aber sie musste noch weiter vom Auto weg. Erst als sie merkte, dass sie immer noch das Handy in der Hand hielt -auch wenn es inzwischen völlig verdreckt
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