Organic
war – lief sie auf der Straße ein Stück weiter in die Dunkelheit.
Sie drehte sich nicht um, als sie ein komisches Zischen hörte und dann ein leises Knallen wie bei Speck, der in der Pfanne brät. Die Explosion haute sie um. Sie kauerte im nassen Gras, als die Splitter durch den Nachthimmel sausten.
Alles wird gut, versuchte sie sich vergeblich einzureden, um einigermaßen die Ruhe zu bewahren. Ihre Hände zitterten so sehr, dass sie dreimal ansetzen musste, bevor sie den Notruf wählen konnte.
33. KAPITEL
Washington D. C.
Jason war Lindys Anrufen den ganzen Tag aus dem Weg gegangen. Er konnte so tun, als sei er gerade in einer Besprechung, im Fitnessstudio, bei Freunden. Oder einfach eingestehen, dass er ein mieses Arschloch war. Aber er musste zugeben, dass sie hartnäckig war. Dreimal hatte sie auf seine Mailbox gesprochen, er möge sie so schnell wie möglich zurückrufen. Vergangene Nacht hatte sie gar nicht den Eindruck einer derartigen Klette gemacht. Aber wie konnte er sich da so sicher sein? Schließlich kannte er sie nicht. Er hatte ja gewusst, dass er die ganze Sache noch bereuen würde. Aber er hatte nicht damit gerechnet, dass das so schnell der Fall sein würde. Er hatte einfach nicht daran denken wollen.
Ruhelos lief er durch sein Apartment, was gar nicht so leicht war. Die Wohnung bestand nur aus einem Zimmer mit einem Schlafsofa, einem Flachbildfernseher, einem kleinen Kühlschrank und der Aussicht auf den Müllcontainer. Eigentlich war er hier nur zum Schlafen und um sich umzuziehen. Für Jason bemaß sich die Qualität einer Wohnung nach der unmittelbaren Umgebung. Im Erdgeschoss gab es eine Reinigung und einen kleinen Laden, wo er sich zum Frühstück einen Bagel, Obst und einen Red Bull holte. Manchmal auch ein Sandwich, wenn er wusste, dass er mittags nicht aus dem Büro kommen würde. Gleich nebenan war ein Zeitungskiosk, sodass er die Schlagzeilen gelesen hatte, bevor er im Büro ankam.
Er konnte die ganze Nacht so herumlaufen, aber es half nichts. Er musste Lindy anrufen. Sonst würde sie versuchen, ihn morgen im Büro zu erreichen. Und wenn sie ihn im Büro anrief, würde Senator Adams ihn ganz bestimmt feuern.
Verdammt! Was machte er sich da eigentlich nur für Gedanken?
Er klappte sein Handy auf und ging die Liste nicht angenommener Anrufe durch, bis er bei ihrem letzten angekommen war. Er atmete einmal durch, drückte „Anrufen“ und wartete, bis die Verbindung hergestellt war.
Es klingelte dreimal – hatte er womöglich Glück und geriet an ihre Mailbox?
„Hallo?“
„Lindy, hallo, hier ist Jason.“
„Gott sei Dank.“
Jason zuckte zusammen und musste schlucken. Das war nicht gerade die Reaktion, die er erhofft hatte. Bleib ganz ruhig, sagte er sich. Du musst dich für nichts entschuldigen.
„Ich war ziemlich beschäftigt“, sagte er, und dann fügte er hinzu, bevor er sich zurückhalten konnte: „Tut mir leid, dass ich dich nicht schon früher zurückgerufen habe.“ Er hätte sich am liebsten auf die Zunge gebissen. Er war so damit beschäftigt, sich seine nächste Antwort zurechtzulegen, dass er glaubte, sich verhört zu haben, als sie sagte: „Zach ist tot.“
„Wie bitte?“
„Er wurde ermordet.“
„Moment mal. Wer wurde ermordet?“
„Zach Kensor. Du kennst ihn doch. Er war auch schon im „Washington Grand“. Es muss passiert sein, während wir dort waren.“
Jason unterbrach seinen Gang und setzte sich auf die Armlehne seines Schlafsofas.
„War das so eine Art spontanes ... Gewaltverbrechen?“
„Er hatte ein Zimmer dort. Ich weiß, dass er mit jemandem verabredet war. Zum ...“ Lindy unterbrach sich und flüsterte dann fast unhörbar: „Du weißt schon, so wie wir.“
Da war wieder dieses innerliche Zucken. Den größten Teil des Tages hatte Jason damit zugebracht, die letzte Nacht aus seinem Gedächtnis zu streichen und zu hoffen, dass Lindy es genauso machen würde. Als sie jetzt tuschelte, als wenn sie das Ganze bedauerte, gefiel ihm das trotzdem nickt. Aber er versuchte sich auf das zu konzentrieren, was sie ihm da gerade mitteilte. Zack war ermordet worden.
„Weißt du, wen er getroffen hat?“
„Ja, mehr oder weniger. Ich bin mir nicht sicher, ob ich nicht besser die Polizei informieren sollte.“ Ihre Stimme klang plötzlich so unsicher, als wäre sie ein kleines Mädchen, das zaghaft um Erlaubnis bittet. Jedenfalls ganz anders als die Lindy vom Abend zuvor, die selbstsicher und souverän gewesen war. „Ich meine, ich
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