Organic
Gewirr der verschlungenen weißen Rohre schießen. Manche der Rohre waren nur so dick wie Leons Arm, andere so riesig, dass er ganz hineingepasst hätte. Allesamt kamen sie aus der Wand. Und die meisten, vor allem die großen, führten zu dem riesigen Tank in der Mitte des Raums.
Dieser Tank unterschied sich von dem draußen – hier schwammen keine Hühnerhälse herum. Das hatte Leon zu Tode erschreckt. All die auftauchenden Hühnerköpfe mit weit geöffneten Augen, die zusahen, als er den armen Kerl hineinwarf. Vielleicht hätte er sich deswegen keine Sorgen gemacht, wenn diese blöde Wahrsagerin nicht gewesen wäre. Jetzt sah er ständig über die Schulter, beobachtete alles, jede Kleinigkeit. Sogar Dinge, über die er normalerweise nicht zweimal nachgedacht hätte.
Es war wie in einer Sauna. Er spürte den Dampf und die Hitze, die die Rohre abstrahlten. Beim Warten auf sie hatte er schon eine ganze Packung Taschentücher aufgebraucht. Inzwischen lief ein regelrechter Strom aus Schweiß an seinem Rücken und den Seiten hinunter. Das Hemd klebte an seiner Haut. Von seiner Stirn tropfte es. Aber diesmal wollte er nichts überstürzen. Die Eile hatte es ihm schon zweimal vermasselt. Stattdessen stand er ruhig da und beobachtete sie da oben auf dem Steg. Er würde warten, bis sie so weit war.
Sie sah anders aus, aber Leon wusste nicht, woran es lag. Bevor sie gekommen war, hatte er sich umgesehen. Nirgendwo war jemand gewesen, nicht mal in den Gängen im oberen Stockwerk. Er musste also keine Angst haben, dass sie nicht allein kommen würde. Soviel er wusste, gab es nur zwei Türen hier herein: eine hinter ihm, die nach draußen auf den Parkplatz führte, und die andere im ersten Stock, die sie benutzt hatte und die den Steg mit mehreren Gängen verband, die zum Rest der Anlage führten.
Sie ging den Metallsteg entlang, die Hände in die Taschen ihres Laborkittels geschoben. Dann zog sie sie heraus und sah auf ihre Armbanduhr. Sie blickte immer wieder zur Tür, als erwarte sie, dass jemand dort hereinkam.
Leon wischte sich erneut den Schweiß von der Stirn. Sie sah nervös aus heute, schreckhaft, ungeduldig, als wolle sie etwas hinter sich bringen. Leon lächelte und dachte: Da sind Sie nicht die Einzige, Lady.
Er kletterte die Metallleiter an der Rückwand nach oben. Vorhin hatte er sie inspiziert. Mit vier schnellen Schritten war er auf der Plattform, die zum hinteren Ende des Metallstegs führte. Sie würde ihn nicht kommen sehen. Leon sagte sich, dass er sich nicht bemühen musste, leise zu sein. In diesem verdammten Ding hier konnte man vor lauter Pfeifen und Hämmern sowieso nichts hören.
Er hatte ein Stück einer verzinkten Stange bei sich. Dieselbe wie beim letzten Mal. Sie fühlte sich gut an in seiner Hand – und das Gefühl konnte er gerade gut gebrauchen.
Nicht dass Leon abergläubisch gewesen wäre. Er hätte die Frau lieber mit einer 22er umgepustet und Schluss. Diese Idee mit dem Unfall war komplette Scheiße. Er war viel besser mit einem gezielten Schuss in den Hinterkopf, der von der Innenseite des Schädels abprallte. Mit einer 22er lief nichts schief.
Er schwitzte immer noch wie ein verdammter Hurensohn, kletterte aber leichtfüßig die Leiter nach oben, obwohl es in seinem Kopf klingelte und die hämmernden Rohre rhythmisch klopften.
Dann stieg er auf die Plattform und duckte sich hinter einem vibrierenden Metallkasten. Sie drehte sich nicht um und blieb auch nicht stehen. Er war dort sicher.
Leon hielt den Atem an. Er packte die Stange fester. Es war fast schon zu einfach. So wie beim letzten Mal, als sie ihm die Beute direkt vor die Nase gelotst hatten. Er hätte sich den Ausflug in die Klapsmühle sparen können, wenn er sie schon am Samstag hier erledigt hätte. Wenn der blöde Sicherheitsmann ihm nicht die Tour vermasselt hätte.
Er richtete sich zu voller Größe auf und schlich auf sie zu. Ihren Rücken ließ er nicht aus den Augen. Ein langsamer Schritt, dann noch einer – wie ein Tier, das sich seiner Beute nähert. Langsam und zielgerichtet, bereit zum Angriff. Wenn sie sich umdrehte, würde er losstürzen und zum Schlag ausholen, schneller als sie reagieren konnte.
Als sie mit den Händen durch ihr Haar fuhr, wusste er, dass sie ihn nicht wahrgenommen hatte. Er hätte am liebsten gerufen, damit sie wusste, dass er kam. Dann dachte er daran, dass sie schon das erste Mal überlebt hatte. Das hier war ja schon ihre zweite Chance. Er sagte sich, dass er längst im Flugzeug
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