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Organic

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Titel: Organic Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alex Kava
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seinem Sicherheitsausweis löschen. Es war ihm eigentlich egal. Wichtiger war, dass Sabrina Galloway, wenn sie um 16.06 Uhr dort gewesen war, ihn gesehen haben musste.
    Sein Klient hatte sich zunutze gemacht, was er für die Gelegenheit hielt, aus einem Fehler noch das Beste herauszuholen. Vermutlich fand er, dass Leon ihm dankbar sein sollte. „Spätestens in 24 Stunden wird es eine landesweite Fahndung nach ihr geben. Und man wird sie ganz sicher aufspüren.“
    Was hätte Leon also tun sollen? Er hatte es vermasselt. Schon wieder! Hätte er sich darüber beschweren sollen, dass die Bullen im ganzen Land dasselbe suchten wie er?
    Einmal hatte sich sein Klient sogar so angehört, als hätte er gar nichts dagegen, wenn die Polizei sie festnahm, als wäre das Problem für ihn damit gelöst. „Denn wer wird ihr glauben?“, hatte er gesagt. „Ihre Version der Vorfälle wird niemanden interessieren, jetzt, wo sie nicht mehr das Opfer, sondern die Täterin ist.“
    Du verdammter Hurensohn, hatte Leon gedacht, aber nicht gesagt. Er konnte diese Art Leute einfach nicht ausstehen. Viel zu arrogant und mit viel zu wenig gesundem Menschenverstand. Nicht dass er sich deswegen beschweren wollte. Er hatte sein Auskommen, weil Idioten wie dieser Kerl dachten, sie müssten ihre kleine Welt unter Kontrolle haben inklusive aller Deppen, die darin auftauchten. Aber diese Idioten wollten einfach nicht einsehen, dass der Mensch ein schwer kalkulierbares Wesen war. Das hatte sogar Leon vergessen, und jetzt stellte er fest, dass genau das für seine Reihe von Fehlgriffen verantwortlich war und nicht der Fluch irgendeiner Wahrsagerin oder der Zufall.
    Verlass dich niemals auf etwas. Es gibt keine Zufälle. Schau nach vorn und rechne mit dem Unvorhersehbaren. Erwäge das Wahrscheinliche und handele entgegengesetzt. Er war faul geworden. Vielleicht sogar ein wenig zu selbstgefällig. Er besann sich besser auf das Wesentliche und richtete sich nach den Regeln, mit denen er gelebt und die ihn hatten überleben lassen. Und genau deshalb mochte zwar sein Klient vollauf zufrieden sein, wenn sich die Polizei um Sabrina Galloway kümmerte, nicht aber Leon. Seine letzte und wichtigste Regel hatte immer gelautet: Rette deinen Arsch, egal was es kostet.
    In all den Jahren hatte keines seiner Opfer je sein Aussehen beschreiben können, oder auch nur, wie im Fall von Casino-Rudy, überleben und ihm gefährlich werden können. Wenn Sabrina Galloway ihn gesehen hatte, dann musste er sie finden, bevor die Polizei sie fand.

62. KAPITEL
    Pensacola Beach, Florida
    Nachdem sie zum zweiten Mal daran vorbeigefahren waren, meinte auch Sabrina, dass es nicht schaden konnte, mal nachzusehen. Ihr Vater hatte erzählt, Eric wohne über einem Bootshaus in Pensacola Beach und arbeite für einen Mann namens Howard Johnson. Und das hier war ein Bootshaus und ein kleines Geschäft namens „Howard’s Deep-Sea Fishing“. Zu dem Laden gehörte „Bobbye’s Oyster“ Bar gleich daneben. Miss Sadie parkte den Studebaker so, dass Sabrina die kleinen Bistrotische an der Strandseite sehen konnte, von denen aus man die Charterboote im Blick hatte, die an ihren Liegeplätzen an- oder ablegten. Auf der anderen Seite gab es sogar eine Treppe zu einer Wohnung im zweiten Stock mit einer kleinen Terrasse und einem altmodischen Neonzeichen „Belegt“ über dem Eingang.
    Sabrina sagte sich, dass das allein noch nichts zu bedeuten hatte. Aber falls Eric wirklich hier war, hieß das im Gegenteil, dass ihr Vater weit mehr bei Verstand war, als seine Ärzte für möglich hielten. Sie spürte wieder den Knoten in ihrer Magengrube und hätte am liebsten ihren Vater angerufen, um sicherzugehen, dass es ihm gut ging. Aber wie hätte sie ihn warnen sollen, wenn er vermutlich nicht einmal ihre Stimme wiedererkannt hätte?
    Miss Sadie machte sich ein wenig frisch. Hinter dem Lenkrad reckte sie ihren schmalen Körper, damit sie in den Rückspiegel sehen konnte. Sabrina sah zu, wie sie die weichen gewellten Strähnen sorgfältig zurück in ihren Haarknoten steckte. Bevor sie ihre Brille wieder aufsetzte, sah Sabrina noch einmal die angeschwollenen Tränensäcke unter ihren Augen. Sie musste erschöpft sein, aber trotzdem war sie ganz ruhig und völlig bei der Sache. Sie kümmerte sich um Sabrina – als gehörte sie zur Familie.
    Sie hatte lange Zeit niemanden wie Miss Sadie gehabt. Jemanden, der nur das Beste für sie wollte. Daniel ganz sicher nicht, nicht einmal Eric. Niemanden mehr,

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