Orks vs. Zwerge
Trockenfleisch des Broca. Ragroth runzelte die Stirn und warf ihm das Päckchen zu. Gierig stopfte sich der dünne Steppenkrieger eine Handvoll der Streifen in den Mund und verzog angewidert das Gesicht. »Ugh. Was ist das? Ratte?«
»Pferd.«
»Schmeckt ja beschissener als Wühlerhund. Ich mochte die Biester noch nie.« Er gab den Beutel an seinen Bruder weiter. »Broca, wenn das dort unten so weitergeht, kriegen wir mächtig Ärger.«
Die beiden Korrach nickten zustimmend. »Glaubst du, dass Gorotak …«
»… sich am Ende doch nicht absetzt, Broca?«
Ragroth kaute mahlend. Bedächtig schüttelte er den Kopf. »Ich sag euch, der setzt sich ab. Dauert nicht mehr lange. So viel Zeit hat er nicht mehr.« Er starrte in den Nebel, der das Ende der schmalen Straße verbarg, und dann in den Himmel. »Es wird bald dunkel werden.« Er stand auf. »Kommt mit.«
»Wohin gehen wir, Broca?«
»Ich verwette meinen Anteil darauf, dass er sich absetzt, sobald sie auf die nächste größere Wühlerbarrikade stoßen. Er wird aber warten, bis es dunkel geworden ist. Dann fällt das nicht so schnell auf. Aus diesem Grund bewegt er sich gerade so langsam. Er schindet Zeit.«
»Woher willst du das wissen?«, brummte Fograr.
Ragroth sah seine Männer an. »Weil ich’s genauso machen würde.«
Die Aerc wechselten einen Blick. Synchron warfen sie ihre Pferdefleischstreifen weg und zuckten mit den Schultern. »Und das heißt?«
»Dass wir jetzt die nächste Wühlerbarrikade suchen. Vielleicht finden wir einen wirklich guten Platz zum Zusehen.«
»Und wenn wir ganz viel Glück haben …«, sagt der Linke.
»… legen ihn die Wühler vorher um«, sagte der Rechte.
»Darauf würde ich nicht wetten. Gorotak ist ein Arschloch. Arschlöcher haben die Angewohnheit, immer zuletzt zu sterben.« Ragroth ließ sich durch die Dachluke hinab in das Haus fallen.
D er Tunnel war niedrig und uneben. Er schien dem natürlichen Verlauf einer Höhle zu folgen. Nur hier und da war er notdürftig mit grobem Werkzeug erweitert worden, sodass ein Mensch mit eingezogenem Kopf aufrecht gehen konnte. Die Höhle hatte etwas Fremdes an sich, das sich mit Worten nicht erklären ließ. Glond kamen unwillkürlich die Erzählungen über Stimmen und Gestalten in den Sinn, die die Menschen gesehen haben wollten.
Kearn stapfte mit finsterer Miene vor sich hin, den Waffenarm leicht ausgestreckt, sodass die spitze Seite seines Streitkolbens mit nervenaufreibendem Kratzen an der Wand entlangfuhr. Sein gesundes Auge funkelte böse im Schein der Fackeln. Axt war ebenfalls in Gedanken versunken und wechselte nur hin und wieder ein Wort mit Esse, der für seine Verhältnisse beinahe wortkarg geworden war. Selbst die Menschen, die sich in Gesellschaft der mürrischen Dalkar sichtbar unwohl fühlten, hatten nicht das Bedürfnis, sich miteinander zu unterhalten. Einzig ihr Anführer, der Wolfmann, pfiff unbekümmert eine kleine Melodie vor sich hin.
Glond beschleunigte seine Schritte, um neben ihn zu gelangen.
Der Wolfmann unterbrach sein Lied. »Was willst du wissen, Zwerg?«
Glond wäre beinahe gestolpert und kratzte sich peinlich berührt die Wange. »Sind Sie so eine Art Tierwesen?«
Der Wolfmann zog eine buschige Augenbraue in die Höhe. »Nun, es heißt, dass ich mich in Vollmondnächten in ein wildes Tier verwandle. Und in vielen anderen Nächten auch – sagen jedenfalls die Frauen.« Er zwinkerte verschwörerisch. »Im Grunde bin ich aber genauso normal oder unnormal wie die meisten Menschen, die im Hospital leben. Bis auf Navorra vielleicht.«
»Was ist mit ihm?«
»Er ist … anders.«
»Wie anders?«
Der Wolfmann zuckte mit den Schultern. »Ich kann es nicht erklären. Es ist etwas an ihm, das ihn besonders macht. Lass es mich so sagen: Bist du schon einmal jemandem begegnet, dem du bedingungslos folgen würdest? Nicht, weil er besonders klug oder stark erscheint, sondern weil du tief in deinem Inneren weißt, dass er die Macht besitzt, deine Welt zu verändern?«
Glond dachte an General Variscit und dessen schier unerschöpfliche Energie. Das war sicherlich ein Mann, der ganze Armeen motivieren konnte, aber würde er ihm auch bedingungslos folgen?
Er schüttelte den Kopf. »Nein, ich glaube nicht.«
Der Wolfmann nickte. »Vor einiger Zeit hätte ich das auch noch gesagt. Denn das Einzige, dem ich zeit meines Lebens gefolgt bin, war das Geld, das man mir geboten hatte. Das war das einzig Verlässliche in meinem Leben – neben dem Spott der
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