Orphan 1 Der Engel von Inveraray
Geld geschehen?"
Mr. Humphries zog verwundert die weißen Brauen zusammen. „Geld? Ach ja, richtig. Die Einlagen mussten eingezogen werden, um überfällige Hypothekenraten zu begleichen, meine Gute. Sie konnten nur einen kleinen Teil davon tilgen, gewiss, doch jede noch so winzige Summe zählt."
„Aber warum?" Ihr Entsetzen wurde immer größer. „Sie wussten, dass dieses Geld dazu bestimmt war, unsere Lebenshaltungskosten für die nächsten Monate zu decken - das Geld auf diesem Konto dient stets diesem Zweck. Warum haben Sie es zur Tilgung der Hypothek verwendet?"
Mr. Humphries seufzte. „Nun, meine Liebe, die Entscheidung lag leider nicht bei mir.
Ich habe schriftliche Anweisungen von unserem Hauptsitz in Glasgow erhalten, mich umgehend um Ihre Rückstände zu kümmern. Höchst dringliche Anweisungen.
Offenbar waren wir ein wenig zu saumselig mit der Rückzahlung Ihrer Hypothek, die, wie Sie wissen, im Laufe der Jahre stark gestiegen ist, da Sie zusätzliche Darlehen aufgenommen haben. Ich habe versucht, ihnen zu erklären, dass Sie gerade dabei sind, Ihre Angelegenheiten zu ordnen und sie in Zukunft mit Ihren Zahlungen rechnen könnten, doch sie wollten nichts davon hören. Die Bedingungen, die ich Ihnen eingeräumt habe, stünden im Widerspruch zur Politik der Royal Bank of Scotland, meinten sie." Er verzog entrüstet das Gesicht. „Man stelle sich vor ... Ich bin seit über fünfzig Jahren bei der Bank, und irgend so ein grüner Junge will mir etwas über das Bankgeschäft beibringen! Eine Beleidigung, jawohl, das ist es!" schimpfte er und klopfte mit seinem Stock auf den Boden. „Wenn ich die Zeit hätte, um nach Glasgow zu fahren, würde ich diesem Burschen persönlich die Leviten lesen. Ich würde ihm sagen, dass ich mich schon um die Bankgeschäfte in Inveraray gekümmert habe, als er noch strampelnd in der Wiege lag, und ich mir von einem Bürschchen wie ihm nicht ins Handwerk pfuschen lasse."
Genevieves Gedanken überschlugen sich. „Wir sind auf dieses Geld angewiesen, um über die nächsten Monate zu kommen. Was soll ich tun?"
Mr. Humphries sah sie verständnislos an. „Tun? Nun, Ihr Gatte wird das Konto einfach ausgleichen, das ist alles", erwiderte er lebhaft, froh darüber, eine Lösung anbieten zu können. „Wenn Sie möchten, werde ich schon morgen ein Konto auf Ihren Namen eröffnen, Mr. Blake. Dann können Sie veranlassen, dass die Hypothekenschulden und die anderen Rückstände getilgt werden, und die ganze Angelegenheit ist erledigt. Wir werden Ihr Konto auflösen, meine Gute", fügte er mit einem freundlichen Blick auf Genevieve hinzu, „und Sie werden sich nie wieder Ihren hübschen Kopf über diese entsetzlichen Geldgeschichten zerbrechen müssen.
Wird das keine Erleichterung sein?"
Natürlich, dachte Haydon und beobachtete grimmig, wie der letzte Rest Farbe aus Genevieves Antlitz wich. Mr. Humphries war zugetragen worden, dass seine Kundin geheiratet hatte. Und wenn die Klatschbasen der Stadt gute Arbeit geleistet hatten, war ihm gewiss auch zu Ohren gekommen, dass ihr Gatte ein gut gekleideter, gebildeter Mann von beinahe vierzig Jahren war - und offenbar nicht unvermögend.
Da ein Ehemann für die Schulden seiner Frau aufkommen musste, war Mr. Humphries zu dem vernünftigen Schluss gelangt, dass Mr. Maxwell Blake einfach Genevieves Außenstände begleichen würde und die Angelegenheit damit erledigt sei. Deshalb hatte er - wie verlangt - ihr Konto geleert, wozu die Bank berechtigt war, wenn Genevieve sich mit der Rückzahlung ihrer Hypothek im Rückstand befand.
„Wie hoch ist der geschuldete Betrag?" erkundigte sich Haydon ruhig. Was auch immer geschah, sie durften nicht den Anschein erwecken, ihre Schulden nicht zurückzahlen zu können.
„Sie werden mir hoffentlich verzeihen, dass ich Ihnen die genaue Summe im Augenblick nicht nennen kann", antwortete Mr. Humphries. „Wenn Sie mich in der Bank aufsuchen würden, könnte ich sie Ihnen genau berechnen."
„Ungefähr."
Mr. Humphries runzelte die Stirn, als hielte er es für unziemlich, dass Haydon eine derart heikle Angelegenheit außerhalb der heiligen Hallen einer Bank besprechen wollte. „Die monatliche Hypothek ist seit beinahe zwei Jahren nicht gezahlt worden, doch ich habe das auf Mrs. Blakes Konto befindliche Geld zur Tilgung verwandt, was nahezu zwei Monatsraten gedeckt hat. Folglich liegt sie noch mit etwa zweiundzwanzig Monatsraten im Rückstand, zuzüglich der Zinsen, natürlich."
„Wie viel?"
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