Orphan 2 Juwel meines Herzens
hingen. Charlotte biss sich angesp a nnt auf die Unterlippe. Der Aufseher hielt die Schlüsse ins fahle Licht, entschied sich erst für einen, ließ ihn dann doch wieder fahren und nahm einen anderen zur Hand. Nachdem er ihn eingehend betrachtet hatte, steckte er ihn endlich ins Schloss und drehte ihn um.
»Eine Miss Kent, die Sie zu besuchen wünscht, Sir“, verkündete er dann mit einer Verbeugung.
Harrison blickte auf. Als er Charlotte sah, schien die Welt für einen kurzen Augenblick still zu stehen. Wie er sich danach sehnte, sie in die Arme zu schließen, das Ge-sicht in ihrem duftenden seidigen Haar zu bergen. Doch stattdessen blieb er auf der Pritsche sitzen und tat vollkommen gleichmütig.
„Guten Tag, Miss Kent“, begrüßte er sie mit steifer Höflichkeit. „Ich muss schon sagen, dass ich nicht erwartet hatte, an diesem trostlosen Ort in den Genuss Ihrer Gesellschaft zu kommen. “
Die Bemerkung war für Digbys Ohren bestimmt. Obwohl der alte Aufseher ihn offensichtlich mochte, wollte Harrison doch niemandem auch nur den geringsten Anhaltspunkt dafür geben, dass mehr als eine rein oberflächliche Bekanntschaft ihn selbst mit Charlotte verband. „Ich muss mich für die scheußliche Umgebung bei Ihnen entschuldigen“, fuhr er ironisch fort. „Aber bitte, treten Sie doch näher. Darf ich Ihnen vielleicht eine kleine Erfrischung anbieten? “
Charlotte schüttelte den Kopf. Sein kalter Ton und das offen zur Schau gestellte Missfallen über ihren Besuch verletzten sie.
„Nicht doch, meine Liebe, ich bestehe darauf“, sagte er. „Mr. Digby, was können wir Miss Kent nach ihrer zweifellos ermüdenden Warterei anbieten? Vielleicht eine Tasse Tee? Ich werde Sie auch bestimmt fürstlich für Ihre Bemühungen entlohnen, alter Junge, sobald mein Anwalt hier nachher erscheint. “
Bei dieser Ankündigung riss Digby die Augen weit auf. „Natürlich, ich werde Teewasser aufsetzen“, teilte er Harrison mit. „Wenn Sie wollen, hab ich sogar Milch da und Kekse. Die hat meine Frau gebacken. “
„Nein, danke vielmals“, erklärte Charlotte, der gerade ganz übel wurde.
„Die Kekse sind frisch“, versicherte Digby. „Mit Ingwer und Brombeeren. Und ich bring Ihnen auch bestimmt eine ganz saubere Porzellantasse für Ihren Tee, Miss, nur keine Sorge. “ Fast flehend blickte er sie an. Es war ihm offenbar sehr wichtig, Harrisons Bitte zu erfüllen - ob nun wegen der angekündigten Belohnung oder des Gefühls, einmal im Leben eher der Diener eines Gentleman statt Gefängniswärter zu sein.
„Das klingt ausgezeichnet“, erklärte Harrison, als hätte Digby ihnen ein viergängiges Menü bei Kerzenschein ange boten. „Dann tragen Sie doch bitte auf. Wenn die Kekse Ihrer Frau erst einmal auf dem Tisch stehen, kann Miss Kent bestimmt ohnehin nicht mehr widerstehen. “
„Wie Euer Lordschaft wünschen. “ Digby lächelte glücklich und zeigte dabei eine unregelmäßige Reihe gelblicher Zähne. „Ich muss dann hinunter in die Küche. Wird aber nur ein paar Minuten dauern. “ Er eilte durch die schwere Eichentür.
Harrison wartete, bis er hörte, wie der Schlüssel umgedreht wurde. „Was tust du hier nur, Charlotte? “ fragte er dann besorgt und ließ die Maske der Gleichgültigkeit fallen. „Ich habe dem Inspector versichert, dass wir uns kaum kennen und du nur hier bist, um mich im Sinne deiner wohltätigen Arbeit zu einem gottgefälligen Leben zu bekehren. Falls er dich noch einmal befragt, tu nur alles, um dies zu bestätigen. “
Erregt stand er auf, begann, in der Zelle auf und ab zu gehen, und überlegte, was er ihr unbedingt noch alles sagen musste.
„Ich habe das Geld für deinen Vater besorgt. Mein Anwalt sollte es dir eigentlich überbringen, nachdem er mich hier aufgesucht hat. Da du aber nun hier warst, halte ich dies für unklug. Wir können uns nicht sicher sein, dass Turner ihn nicht überwachen lässt, was übrigens einigermaßen wahrscheinlich ist. Jedenfalls darf man dich nach Möglichkeit nicht mehr mit mir in Verbindung bringen. Ich werde meinen Anwalt also anweisen, heute in seine Kanzlei zurückzukehren und dafür zu sorgen, dass morgen ein halbes Dutzend Kuriere irgendwelche Dinge für ihn ausliefern. So schnell kann Turner nicht genügend Verstärkung anvordern, um jeden einzelnen von ihnen verfolgen zu lassen. Hör mir gut zu, Charlotte, du darfst das Geld deinem Vater unter gar keinen Umständen allein übergeben. “ Er fuhr sich mit der Hand durchs Haar.
”Da ich
Weitere Kostenlose Bücher