Orphan 2 Juwel meines Herzens
Schuld trug.
„Wie viele Jahre habe ich dich gehasst“, fuhr Tony zornig fort. „Aber als ich älter wurde, beschloss ich herauszufinden, was wirklich aus dem Schatten geworden war. Also ging ich alle Notizen meines Vaters noch einmal durch. Jede Einzelheit über den Schatten lernte ich auswendig. Ich wollte das Geheimnis unbedingt lüften und dich finden. Papa hatte zahllose Seiten beschrieben mit seinen Vermutungen über den Schatten - welcher Schicht er entstammen mochte, wie gebildet und klug er war. Mein Vater war der Meinung, dass es sich um einen Adligen oder aber einen Diener handeln müsse - auf jeden Fall um einen Mann, der sich auf Partys und in den Häusern der Reichen auskannte. Jung und sportlich obendrein, sonst würde er es kaum schaffen, Bäume hochzuklettern und über Dächer zu entkommen. Das Motiv war natürlich auch wichtig. Dafür gab es genügend vorstellbare Gründe. Beinah jeder Dienstbote findet, er hätte eigentlich ein besseres Leben verdient als die großtuerischen feinen Pinkel, für die er arbeitet. Dann gibt es noch ein ganzes Heer verarmter Adliger und unzählige jüngere Söhne, die von mageren Apanagen leben müssen. Zweifellos kämen jedem dieser Herren ein paar teure Steine mehr als gelegen. “
„Und daraufhin hast du beschlossen, den Schatten aus seinem Versteck zu locken“, sagte Harrison leise.
„Genau. Es stand zu vermuten, dass der Mann körperlich noch in ganz guter Verfassung war, nach den Meisterleistungen, die er sechzehn Jahre zuvor erbracht hatte. So verfiel ich dann also auf den Gedanken, selbst eine Serie von Diebstählen zu begehen, um dich in die Falle zu locken. Ich prägte mir genau ein, wie du bei deinen Raubzügen vorgegangen warst, und machte mich daran, alles genau nachzuahmen. Nebenbei legte ich mir einen anderen Namen und ein neues Leben zu: der ehrenwerte Tony Poole, charmanter Sohn eines unbedeutenden Viscount vom Lande. So drang ich in die Kreise der Londoner Gesellschaft vor, in denen ich den Täter vermutete. Schon erstaunlich, wie schnell man mich dort akzeptierte. Das beweist doch wieder einmal, wie wichtig der entsprechende Kleiderschrank, die richtige Ausdrucksweise und geschliffene Manieren sind. Du ziehst dich um, tust etwas arrogant und lässt hie und da verlauten, dass dein Vater ein Adliger ist. Zwei, drei Mal, und schon zweifelt kein Mensch mehr an deiner Geschichte. “
„Ja, du warst wirklich exzellent in deiner Rolle, Tony. “ Verächtlich schnaubte der. „Dich hatte ich zunächst nur milde in Verdacht, obwohl dein Alter passte und du noch immer muskulös und beweglich bist. Aber im Gegensatz zu meinen anderen Kandidaten besitzt du keine Gemahlin, die in Juwelen schwimmt, oder trägst selbst gern teure Steine. Außerdem bist du ausgesprochen vermögend. Doch dann erfuhr ich vom Selbstmord deines Vaters und dem Schuldenberg, den er hinterließ. Da beschloss ich, mich mit dir anzufreunden, um mehr in Erfahrung zu bringen. Leider sprachst du nie über deinen Vater und wolltest mich nach Möglichkeit auch keine Zeit mit deiner Mutter verbringen lassen. Daher musste ich mich also weiter auf Klatsch und Gerüchte über deine Familie verlassen. Sicher war ich mir allerdings erst, als ich dir bei Lord Pembroke die Maske vom Gesicht zog. “
„Und dann hast du im Garten des Hauses eins meiner Taschentücher fallen lassen, um die Polizei auf meine Spur zu locken. “
„Ja, weil ich mir erst da sicher sein konnte, dass du der richtige Mann bist“, erklärte Tony. „Ich wollte keinen Unschuldigen ins Gefängnis bringen. “
„Aber dann hätte Scotland Yard ja dich verhaften müs-sen, Tony“, widersprach Harrison. „Schließlich bist du doch jetzt der Schatten. “
„O nein, ich versuchte lediglich, dich zu überführen, Bryden, was schon Jahre zuvor hätte passieren müssen. “ „Verzeih, wenn ich mich weigere, dich als edlen Helden zu sehen, der das Andenken seines Vaters ehrt und dessen Ruf wieder herstellen will. Du hast zwei unschuldige Menschen ermordet. Und wenn ich dich nicht davon abgehalten hätte, wäre auch Inspector Turner nun tot. “ „Tatsächlich habe ich nur diesen Esel von einem Diener umgebracht, der hereinstürmte, als ich gerade aus Lady Pembrokes Fenster zu klettern gedachte. Ich wollte ihn nicht töten, aber er ließ mir keine andere Wahl. Wenn du mich fragst, trägst allein du die Schuld an seinem Tod. Was Turner angeht, musste ich doch dafür sorgen, dass man dich auf jeden Fall wegen Mordes
Weitere Kostenlose Bücher