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Ort der Angst (German Edition)

Ort der Angst (German Edition)

Titel: Ort der Angst (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mala Wintar
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bedächtigen Bewegungen seiner Schwimmflossen mochten denen eines trägen Froschs ähneln, doch sie genügten vollkommen, um ihn ruhig durch das Wasser gleiten zu lassen, ohne Sediment vom Boden aufzuwirbeln.
    In dem schmalen Höhlenabschnitt, den sie gerade durchquerten, wirkte der Schein seiner Lampe wie eine blauschimmernde Blase, die ihnen vorausschwebte und sich an den Unebenheiten des Kalksteintunnels entlangtastete. Als Paul für einen Moment verharrte, um einen weiteren Ankerpunkt für die Leine auszuwählen, verdichtete sich die Luft seines Atemgeräts zu einer Wolke quecksilbrig schimmernder Blasen und stieg über ihn hinweg zur Decke auf, um sich dort zu sammeln. Zweimal schlang er die Schnur um ein Stück vorstehenden Gesteins, ehe er seinen Weg fortsetzte und die Spule weiter abrollte. Ohne die Leine müssten sie sich binnen kürzester Zeit in diesem fantastischen Labyrinth aus Kalkstein verirren. Maria folgte ihrem Partner in sicherem Abstand.
    Normalerweise liebte sie ihre gemeinsamen Tauchgänge in die Unterwasserwelt der Cenotes. Aber nicht heute. Der Bereich, durch den sie sich im Augenblick wagten, lag weit von der für die Öffentlichkeit zugänglichen Route entfernt. Doch selbst hier stießen sie immer wieder auf Tonscherben, Knochenstücke und Opfergefäße, die einst die Götter gnädig stimmen sollten. Kämpften sich Marias Vorfahren ohne Atemluft und damit ohne Hoffnung auf Wiederkehr in die Unterwelt vor, um sich den Göttern zu opfern? Hinab nach Xibalbá, den Ort der Angst.
    Sich Zugang zu dieser geheimnisvollen Welt zu verschaffen, war nicht allzu schwierig. In Yucatán gab es zahlreiche Orte, von denen aus man in das Höhlensystem der Cenotes gelangte. Marias Ehrfurcht vor diesen mystischen Stätten wuchs mit jedem ihrer Besuche.
    Paul dagegen hoffte, etwas zu entdecken, auf das bisher noch kein anderer gestoßen war. Seit dem Erdbeben schien er von dieser Vorstellung regelrecht besessen zu sein. Marias Vorschlag, mit dem nächsten Tauchgang lieber noch zu warten, bis kein Nachbeben mehr zu erwarten war, stieß bei ihm auf taube Ohren. Er wollte auf keinen Fall riskieren, dass ein anderer ihm zuvorkam. Sie kannte ihren Partner gut genug, um zu wissen, dass er das Wagnis auch alleine eingegangen wäre. Die Vorstellung, dass ihm etwas zustoßen könnte, hatte ihr keine Ruhe gelassen. Sie musste ihn begleiten.
    Unvermittelt hielt Paul inne und deutete zu seiner Rechten auf eine Bruchstelle in der Wand. Lange Risse zogen sich von dort aus durch den Tunnel. Sein Instinkt hatte ihn also nicht getäuscht. Mit vor Aufregung zitternden Fingern strich er über die rauen Kanten des Gesteins. Es bestand kein Zweifel; der Durchgang musste ganz frisch bei dem letzten Beben entstanden sein. Maria besaß nicht genug Pioniergeist, um sich sofort mit ihren Sauerstoffflaschen durch diesen Durchgang zu zwängen. Im Gegenteil. Aber vielleicht konnte sie ihren Partner mit einem Trick ebenfalls davon abhalten. Sie berührte Paul an der Schulter, deutete auf ihr Finimeter und machte mit dem Zeigefinger eine kreisende Bewegung, um zu signalisieren, dass es Zeit war, umzukehren. Anstatt sich auf ihr Urteil zu verlassen, kontrollierte er die Luftdruckanzeige selbst, schüttelte den Kopf und machte ebenfalls eine kreisende Bewegung mit dem Finger; allerdings vor seiner Stirn. Dann markierte er an der Sicherungsleine die Abzweigung, bedeutete Maria zu warten und entschwand durch den Spalt. Voller Unruhe spähte sie ihm nach. Paul blickte sich um, signalisierte, dass alles okay war und winkte sie heran. Darauf bedacht, sich und ihre Ausrüstung möglichst unbeschadet an dem scharfkantigen Gestein vorbeizuschleusen, schlüpfte sie vorsichtig hinterher. Wenigstens musste sie die Sauerstoffflaschen nicht extra abnehmen, um hindurchzukommen.
    In dem neu entdeckten Höhlenabschnitt bot sich ihnen ein überwältigendes Szenario. Das Wasser hier war von einer solchen Reinheit, dass die beiden im Nichts zu schweben schienen. Wie Finger eines gigantischen Skeletts ragte eine Reihe von Stalagmiten vor ihnen aus der Tiefe auf, als wollten sie Eindringlingen den Weg versperren. Oben an der Decke erweckten feinste dicht an dicht gewachsene Stalagtiten den Eindruck, als erblicke man den nadelgespickten Baldachin einer knöchernen Kathedrale.
    Paul leuchtete senkrecht in die Tiefe. Trotz der guten Sicht war es nicht möglich, bis auf den Grund zu blicken. Die Höhle musste riesig sein. Der Schein der Lampe scheuchte einen bleichen

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