Ort des Grauens
Unterbewußtsein völlig verwirrt war.
Er sah, daß Hal, der auf Franks anderer Seite stand, der Flicken ebenfalls aufgefallen war und daß er die Stirn runzelte.
Julie eilte die Treppe wieder herauf, als Bobby noch erstaunt auf den Khakiflicken starrte. »Wir haben Glück«, sagte sie. »Da unten gibt es zwei Türen. Eine fuhrt in den Korridor zur Empfangshalle, wo wir vermutlich auf einen Sicherheitsbeamten stoßen würden, auch wenn sie inzwischen gar nicht mehr nach Frank suchen. Die andere führt direkt in die Garage, und zwar auf dieselbe Ebene, auf der unser Wagen steht. Wie geht's Ihnen, Frank? Sind sie okay?«
»Ich kriege meinen - meinen zweiten Wind«, entgegnete er, weniger pfeifend und schnaufend als zuvor.
»Schau dir das an«, sagte Bobby und wies Julie auf den Khakiflicken hin, der in den blauen Baumwollpullover eingewebt war.
Während Julie den sonderbaren Flicken inspizierte, ließ Bobby Frank los und beugte sich, von einer Ahnung getrieben, vor, um sich die Hosenbeine seines Klienten anzusehen. Er fand eine vergleichbare Unregelmäßigkeit: blaues BaumWollgarn aus dem Pullover war in die Hose eingewebt. Es war kein Loch von der gleichen Größe und Form wie im Pullover, sondern es waren drei kleinere Löcher am rechten Hosenbein, nahe dem Aufschlag. Er war allerdings sicher, daß, würde man die Stellen genau ausmessen, sich das bestätigen würde, was er nach kurzem Blick erkannt hatte daß nämlich die Gesamtmenge des blauen Garns in diesen drei Löchern ausreichen würde, um das blaue Loch in der Schulter des Pullovers zu füllen.
»Was ist los?« erkundigte sich Frank.
Bobby antwortete nicht, sondern faßte nach dem ziemlich weiten Hosenbein und zog es ganz straff herunter, damit er sich die drei Flickstellen genauer ansehen konnte. Flickstellen war aber wohl nicht das richtige Wort, weil diese Abnormalitäten im Stoff nicht aussahen wie normale Reparaturen. Sie waren viel zu exakt ausgeführt, als daß es sich um Handarbeit hätte handeln können.
Julie hockte sich neben ihn hin und sagte: »Wir müssen Frank erst hier rausholen und ins Büro bringen.«
»Klar, aber das hier ist schon ziemlich eigenartig«, sagte Bobby und deutete auf die Unregelmäßigkeiten an der Hose. »Eigenartig und - wichtig irgendwie.«
»Was ist los?« wiederholte Frank.
»Wo haben Sie diese Kleider her?« fragte Bobby ihn.
»Nun ... ich weiß nicht.«
Julie deutete auf den weißen Strumpf an Franks rechtem Fuß, und Bobby sah augenblicklich, was ihre Aufmerksamkeit erregt hatte: etliche blaue Fäden, die genau die Farbe des Pullovers hatten. Sie hingen nicht lose an dem Strumpf, sondern waren mit dem Material fest verwoben. Dann bemerkte er Franks linken Schuh. Es war ein dunkelbrauner Wanderschuh, doch das Leder wurde vorn an der Spitze von ein paar dünnen, schnörkeligen Linien verunziert. Als er sie genau betrachtete, sah er, daß es sich bei den Linien um grobe Fäden handeln mußte, wie die, aus denen Socken gestrickt waren. Er kratzte mit dem Fingernagel darüber und stellte fest, daß sie nicht am Schuh hängengeblieben waren, sondern ein fester Bestandteil des Leders waren.
Das im Pullover fehlende Garn war irgendwie ein Teil der Hose und eines Strumpfes geworden, die in dem Strumpf fehlenden Fäden wiederum gehörten nun zum Schuh des anderen Fußes.
»Was ist los?« wiederholte Frank noch einmal. Es klang noch ängstlicher als zuvor.
Bobby zögerte aufzuschauen, befürchtete er doch die im Schuh fehlenden Lederteilchen in Franks Gesicht eingegraben wiederzufinden, und daß die im Gesicht fehlende Haut sich auf geheimnisvolle, auf magische Weise mit dem Garn des Pullovers verbunden haben könnte. Er stand auf und zwang sich, seinen Klienten anzusehen.
Abgesehen von den dunkeln, aufgedunsenen Ringen um die Augen, der kränklichen Blässe, die nur durch die Röte der Anstrengung aufgelockert war, und der Furcht und der Verwirrung, die ihm einen gequälten Ausdruck verliehen, stimmte alles in seinem Gesicht. Keine Lederornamente. Kein Khakistoff, der in seine Lippen eingenäht war. Keine Fäden von blauem Garn, keine Plastikenden von Schnürsenkeln, keine Knopfteilchen, die aus seinen Augäpfeln ragten.
Insgeheim tadelte er sich heftig wegen seiner überaktiven Phantasie und klopfte Frank dann freundlich auf die Schulter. »Es ist okay. Alles in Ordnung. Wir werden uns später damit auseinandersetzen. Kommen Sie, lassen Sie uns hier verschwinden.«
38
In der Umarmung der Dunkelheit,
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