Ort des Grauens
noch von der Aussicht.
Schließlich, den Blick immer noch aufs Wasser gerichtet, sagte er: »Ich kann mich nicht entsinnen in El Encanto Heights gewesen zu sein. Doch jedesmal, wenn ich den Namen höre, dreht sich mir quasi der Magen um, Sie wissen schon, so als wäre ich auf einer Achterbahn, die eben auf Talfahrt ist. Und wenn ich versuche, über El Encanto nachzudenken, mich anstrenge, mich zu erinnern, hämmert mein Herz, und mein Mund wird trocken, und ich habe Schwierigkeiten, Luft zu kriegen. Deshalb denke ich mir, daß ich irgendwelche Erinnerungen verdränge, die ich daran habe, möglicherweise, weil mir dort irgendwas passiert ist, irgendwas Schlimmes -etwas, bei dem ich zuviel Angst habe, mich zu erinnern.« Bobby fuhr fort: »Sein Führerschein ist vor sieben Jahren abgelaufen, und nach den Akten hat er auch nie versucht, sich einen neuen ausstellen zu lassen. Er war also eine Karteileiche. Irgendwann in diesem Jahr wäre er ganz aus den Akten gelöscht worden. Da haben wir Glück gehabt, ihn noch zu finden.« Er legte noch zwei weitere Ausdrucke auf den Tisch. »Rückt beiseite, Holmes und Sam Spade.«
»Was ist denn das?«
»Verhaftungsprotokolle. Frank wurde wegen Verkehrsübertretungen gestoppt, einmal in San Francisco vor etwas mehr als sechs Jahren. Das zweite Mal auf dem Highway 101, nördlich von Ventura, vor fünf Jahren. Beide Male hatte er keinen gültigen Führerschein, und weil er sich zudem noch eigenartig benahm, wurde er in Haft genommen.«
Die Fotografien, die zu den beiden Verhaftungsprotokollen gehörten, zeigten einen etwas jüngeren, sogar noch etwas dicklicheren Mann, der ohne jeden Zweifel ihr gegenwärtiger Klient war.
Bobby schob das Geld ein wenig beiseite und setzte sich auf die Ecke von Julies Schreibtisch. »Beide Male ist er aus dem Gefängnis geflohen, also suchen sie sogar nach all den Jahren noch nach ihm, obwohl vermutlich nicht mit allzuviel Nachdruck, da er ja nicht wegen eines Kapitalverbrechens gesessen hat.«
»Auch da habe ich eine Niete gezogen, keine Ahnung«, sagte Frank. »In keinem der Berichte steht, wie er entkommen ist«, fuhr Bobby fort, »doch ich vermute, daß er weder die Gitter durchgesägt, noch einen Tunnel gegraben, noch sich aus einem Seifenstück eine Knarre geschnitzt, noch eine andere der altbekannten, traditionellen Methoden benutzt hat, um aus dem Gefängnis auszubrechen. O nein, nicht unser Frank.« »Er hat's mit Teleporting hingekriegt«, sagte Hal. »Ist verschwunden, als gerade keiner geguckt hat.«
»Ich wette drauf«, stimmte Bobby zu. »Und danach hat er angefangen, falsche Papiere zu benutzen, die gut genug waren, jeden Polizisten zu täuschen, der ihn angehalten hat.«
Julie schaute sich die Papiere genau an. »Nun, Frank«, sagte sie, »wenigstens wissen wir jetzt, daß das Ihr richtiger Name ist, und wir haben eine richtige Adresse von Ihnen,oben in Santa-Barbara-County -nicht noch ein weiteres Motelzimmer. Wir fangen an, Fortschritte zu erzielen.«
Frank war nicht fähig, ihren Optimismus zu teilen. Er kehrte zu dem Stuhl zurück, auf dem er vorher gesessen hatte. »Fortschritte. Aber nicht genug.« Er beugte sich vor, die Arme auf die Oberschenkel gestützt, die Hände zwischen den gespreizten Beinen gefaltet, und starrte grämlich zu Boden. »Mir ist eben etwas sehr Unangenehmes eingefallen. Was ist, wenn ich nicht nur bei der Rekonstruktion meiner Kleidung Fehler begehe? Was ist, wenn ich bereits angefangen habe, bei der Rekonstruktion meiner eigenen Biologie, meines Körpers, Fehler einzubauen. Nichts Wesentliches. Nichts Sichtbares. Hunderte oder Tausende kleiner Fehler auf der Zellularebene. Das würde erklären, warum ich mich so lausig fühle, so müde und mies. Und auch mein Gehirn scheine ich nicht mehr richtig zusammenzukriegen. Das würde erklären, warum ich so verwirrt bin, so benommen im Kopf, warum ich nicht mehr lesen und rechnen kann.«
Julie schaute Hal an, Bobby an, und sie wußte, daß die beiden Manner Frank die Furcht gern nehmen wollten, es aber nicht konnten, weil das Szenario, das er da ausgemalt hatte, nicht nur möglich, sondern sogar wahrscheinlich war.
Frank fuhr fort: »Die Messinggürtelschnalle sah völlig normal aus, bis Bobby sie berührte -dann wurde sie zu Staub.«
40
Die ganze Nacht lang, während der Schlaf Thomas' Kopf leer machte, füllten scheußliche Träume ihn auf. Träume in denen er kleine lebendige Dinge aß. Träume in denen er Blut trank. Träume, in denen er das Böse
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