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Ort des Grauens

Ort des Grauens

Titel: Ort des Grauens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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ihnen hingezogen, zu ihnen hingerufen zu werden.«
    Bobby entfernte sich ein paar Zentimeter von Frank und schaute ihm lange in die gequälten Augen. Dann lächelte er und kniff ihn in die Wange. »Sie Teufel, Sie«, sagte er, »Sie haben wirklich viel darüber nachgedacht, nicht wahr, haben die alte Birne wirklich arbeiten lassen, wie?«
    Frank lächelte.
    Bobby lachte.
    Dann lachten sie beide, hielten einander fest und stützten einander, so wie aneinandergelehnte Stangen einen Wigwam aufrechthalten. Und ihr Lachen war teilweise normal und ließ die Anspannung schwinden, doch darunter mischte sich jenes irre Lachen, das Bobby schon zuvor beunruhigt hatte. Er klammerte sich an seinen Klienten und sagte: »Frank, Ihr Leben ist Chaos, Sie leben im Chaos, und Sie können so nicht weitermachen. Es wird Sie zerstören.«
    »Ich weiß.«
    »Sie müssen einen Weg finden, damit aufzuhören.«
    »Es gibt keinen Weg.«
    »Du mußt es versuchen, Kumpel, du mußt es versuchen. Niemand kann das ertragen. Ich würde das keinen Tag lang durchhalten, und du betreibst das schon seit sieben Jahren!«
    »Nein. Die meiste Zeit war's gar nicht so schlimm. Das hat erst vor kurzem angefangen, erst in den letzten paar Monaten, und dann ist es ganz schnell schlimmer geworden.«
    »Ein paar Monate nur«, sagte Bobby verwundert. »Zur Hölle, wenn wir deinem Bruder nicht bald entwischen und ins Büro zurückkehren und in den nächsten paar Minuten von diesem Karussell verschwinden, dann, das schwöre ich dir, gehe ich zu Bruch, Frank, ich brauche Ordnung, Ordnung und Stabilität, Vertrautes. Ich muß wissen, daß das, was ich heute tue, darüber entscheidet, wo ich bin, wer ich bin und was morgen sein wird. Ich brauche nette, geordnete Verhältnisse, Frank, Ursache und Wirkung, Logik und Vernunft.«
    Dunkelheit.
    Glühwürmchen.
    Rasende Geschwindigkeit.
    »Wie lange jetzt?«
    »Siebenundzwanzig - fast achtundzwanzig Minuten.«
    »Wo, zum Teufel, sind Sie?«
    »Julie«, sagte Clint, »ich glaube, Sie sollten sich hinsetzen. Sie zittern ja wie Espenlaub und haben überhaupt keine Farbe mehr im Gesicht.«
    Lee Chen gab ihr ein Glas Scotch. »Trinken Sie das.«
    »Nein.«
    »Es hilft vielleicht«, meinte Clint.
    Sie riß Lee das Glas aus der Hand und trank es in großen Schlucken leer. Dann drückte sie es ihm wieder in die Hand. »Ich hole Ihnen noch einen«, sagte Lee. »Danke.« Vom Sofa her fragte Jackie Jaxx: »Hört mal, wird mich  irgend jemand verklagen wegen dieser Sache?«
    Julie mochte den Hypnotiseur nicht mal mehr »irgendwie«. Sie mochte ihn so wenig, wie sie ihn gemocht hatte, als sie ihn in Vegas zum erstenmal getroffen und seinen Fall übernommen hatte. Sie wollte ihm den Kopf einschlagen. Obwohl sie wußte, daß ihr Verlangen, ihn zu schlagen, völlig irrational und er nicht der Grund für Bobbys Verschwinden gewesen war, hätte sie ihm gern einen Tritt verpaßt. Das war eben ihre impulsive Seite, die Seite von ihr, die leicht in Wut zu versetzen war, die Seite, auf die sie alles andere als stolz war.
    Doch sie konnte sie nicht immer kontrollieren, weil sie eben ein Teil ihrer genetischen Veranlagung war, oder - wie Bobby vermutet hatte - eine heimliche Vorliebe für gewaltsame Lösungen, die an einem bestimmten Tag ihrer Kindheit begonnen hatte, an dem Tag nämlich, an dem ein Psychopath im Drogenrausch auf brutalste Art und Weise ihre Mutter umgebracht hatte. Aber egal, sie wußte, daß Bobby sich manchmal von ihrer dunklen Seite abgestoßen fühlte, sosehr er auch alles andere an ihr liebte, also schloß sie auf der Stelle einen Handel mit Bobby und mit Gott:
    Hör zu Bobby, wo immer du jetzt auch sein magst - und du hörst auch zu, lieber Cott -, wenn das alles gut ausgeht, wenn ich nur meinen Bobby wieder zurückhaben kann, werde ich nie wieder so sein. Ich werde nicht mehr das Verlangen spüren, Jackies Kopf einzuschlagen noch den von irgend jemand anderem. Ich werde einfach eine neue Seite im Buch aufblättern. Ich schwöre, daß ich das tun werde, nur laß meinen Bobby gesund und heil zu mir zurückkehren.
    Sie waren wieder an einem Strand, aber dies war einer mit weißem Sand, der in der Abenddämmerung leicht phosphoreszierte. Links und rechts verschwand der Strand hinter nütteldicken Nebelschwaden.
    Es fiel kein Regen, und es war nicht so warm wie in Punaluu.
    Bobby fröstelte in der kühlen, feuchten Luft. »Wo sind wir?«
    »Ich bin nicht sicher«, erklärte Frank, »aber ich glaube, wir sind irgendwo auf der

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