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Ort des Grauens

Ort des Grauens

Titel: Ort des Grauens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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Besucher als wißbegierige Maus, und er malte sich aus, wie die Falle zuschnappte und der Besucher unentrinnbar gefangen war.
    Unter Schock versuchte der Besucher sich zu befreien. Candy hielt ihn fest und schob sich über die telepathische Brücke, die sie verband, versuchte, die Gedanken seines Gegners zu erstürmen, um herauszufinden, wer er war, wo er war und was er wollte.
    Candy verfügte nicht über eigene telepathische Kräfte, über nichts, was den schwachen telepathischen Talenten des Eindringlings auch nur ähnlich war. Er hatte niemals vorher die Gedanken eines anderen gelesen, und er wußte nicht, wie er das anstellen sollte. Wie sich herausstellte, mußte er auch gar nichts weiter tun. Er brauchte sich nur zu öffnen und alles zu empfangen, was der Besucher ihm gab.
    Thomas hieß er, und er hatte schreckliche Angst vor Candy, und er hatte schreckliche Angst, etwas wirklich Dummes getan zu haben, und er hatte schreckliche Angst, Julie inGefahr gebracht zu haben. Diese Dreieinigkeit von Ängsten hatte seine mentalen Schranken niedergerissen und ihn veranlaßt, eine Flut von Informationen auszuspeien.
    Es waren so viele Informationen, daß es Candy unmöglich war, etwas Sinnvolles herauszufiltern, es war nur ein Geplätscher von Wörtern und Bildern. Verzweifelt versuchte er, es zu sortieren, um Hinweise auf Thomas' Identität und seinen Aufenthaltsort zu finden.
    Dumme Leute, Cielo Vista, das Heim, jedermann hier hat schlechte Ei-Kuhs, Pflegeheim, gutes Essen, TeVau, der beste Ort für uns, Cielo Vista, die Pfleger sind nett, wir schauen den Kolibris zu, die Welt da draußen ist schlecht, ist zu schlecht für uns da draußen, Cielo Vista Pflegeheim ...
    Mit einigem Erstaunen begriff Candy, daß sein Besucher jemand mit einem unterdurchschnittlichen Intellekt war -er kriegte selbst den Begriff »Down Syndrom« mit -, und er fürchtete, daß er nicht in der Lage sein könne, aus dem Geplätscher genügend vernünftige Gedanken aussortieren zu können, um Thomas' Aufenthaltsort zu erfahren. Es war ja durchaus möglich, daß Thomas' IQ so niedrig war, daß er selbst nicht wußte, wo das Cielo-Vista-Pflegeheim war, obwohl er ganz offensichtlich dort lebte.
    Danach quoll eine ganze Serie von Bildern aus Thomas' Bewußtsein, eine eng miteinander verknüpfte Kette aufeinanderfolgender Erinnerungen, die ihm immer noch emotionale Schmerzen verursachten: die Autofahrt nach Cielo Vista mit Julie und Bobby, an dem Tag, an dem sie ihn dort hinbrachten. Dieser Gedanke unterschied sich insofern von Thomas' anderen Gedanken und Erinnerungen, als er äußerst detailliert und so klar war, daß er sich vor Candy entrollte wie eine Filmspule auf einer Leinwand und ihm alles vermittelte, was er wissen wollte.
    Er sah den Highway, über den sie an diesem Tag gefahren waren, sah die Wegweiser und Straßenschilder durch das Autofenster vorbeiflitzen, sah jeden Orientierungspunkt an jeder Biegung, sah alles das, was Thomas sich mit solcher Mühe ins Gedächtnis eingeprägt hatte: Wenn es mir dort nicht gefallt, wenn die Leute dort gemein sind, wenn ich dort zuviel Angst habe, wenn's mir zuviel wird, dort allein zu sein, dann muß ich wissen, wie ich den Weg zu Julie und Bobby zurückfinden kann, wann immer ich will, erinnere dich daran, erinnere dich an das alles, abbiegen dort an der 711, genau dort an der 7-11, vergiß diese 7-11 nicht, und dann geh an diesen drei Palmen vorbei. Was, wenn sie mich nicht besuchen? Nein, so etwas Schlimmes darf ich nicht denken, sie lieben mich, sie werden mich besuchen. Aber was ist, wenn sie's nicht tun? Schau hin, erinnere dich an dieses Haus, an dem du da vorbeifährst, erinnere dich an dieses Haus mit dem blauen Dach ...
    Candy kriegte alles mit. Die Ortung war so präzise, als hätte er sie von einem Geographen empfangen, der ihm Breiten- und Längengrade und Minuten genannt hätte. Es war mehr, als er wissen mußte, um seine Talente einsetzen zu können. Er öffnete die Falle und ließ Thomas gehen.
    Er stand aus dem Schaukelstuhl auf.
    Er malte sich das Cielo-Vista-Pflegeheim aus, so wie er es in allen Einzelheiten in Thomas' Gedächtnis gesehen hatte.
    Dunkelheit, Milliarden von heißen Funken, die sich in der Leere drehten, rasende Geschwindigkeit.
    Weil Julie in einer Raus-hier-und-laß-es-uns-hinter-uns-bringen-Stimmung war, hielten sie nur fünfzehn Minuten beim Haus, gerade lange genug, um Toilettenartikel und etwas zum Umziehen in eine Reisetasche zu werfen. Auf der Chapman Avenue

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