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Ort des Grauens

Ort des Grauens

Titel: Ort des Grauens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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Treppe hinauf, nahm zwei Stufen auf einmal und blieb nahe an der Wand, wo die Stufen erfahrungsgemäß weniger quietschten. Er war ein großer Mann, aber voller Grazie und sehr leichtfüßig. Und wenn auch einige der Trittflächen locker oder altersschwach sein mochten, unter ihm knarrten sie nicht.
    In der Diele im Obergeschoß blieb er stehen, lauschte. Nichts.
    Am Rauchwarngerät an der Decke leuchtete ein schwaches Nachtlicht. Es war gerade hell genug, daß Candy rechts und links je zwei Türen und eine Tür am anderen Ende des Flurs erkennen konnte.
    Er schlich zur ersten auf der rechten Seite, öffnete sie und schlüpfte in den Raum. Dann schloß er die Tür wieder und lehnte sich mit dem Rücken dagegen.
    Obwohl sein Verlangen groß war, zwang er sich zu warten, bis sich seine Augen an die Düsternis gewöhnt hatten. Das aschfahle Licht einer Straßenlampe, die mindestens einen halben Block entfernt stand, schimmerte schwach in den beiden Fenstern. Zuerst bemerkte er den Spiegel, ein eisgraues Rechteck, in dem das dürftige Strahlen trübe reflektiert wurde. Dann begann er die Umrisse der Kommode wahrzunehmen, die unter ihm stand. Einen Augenblick später war er in der Lage, das Bett und schwach auch die Gestalt zu erkennen, die unter einer hellen Decke lag, die vage phosphoreszierte.
    Behutsam trat Candy an das Bett, packte Decke und Überschlaglaken, zögerte und lauschte den sanften, rhythmischen Atemzügen des Schläfers. Er nahm die Spur eines Parfümgeruchs wahr, der sich mit dem angenehmen Duft warmer Haut und frischgewaschenen Haares vermischte.
    Eine Frau.
    Er konnte den Geruch von Frauen immer von dem von Männern unterscheiden. Er spürte auch, daß diese Frau jung war, vielleicht ein Teenager. Wäre sein Verlangen nicht so intensiv gewesen, hätte er viel länger gezaudert als jetzt. Denn die Momente, die einem Mord vorausgingen, waren erregend, fast erregender als die Tat selbst.
    Mit einer dramatischen Armbewegung, vergleichbar der Geste eines Zauberers, der das Tuch wegzieht, das einen leeren Käfig bedeckt hatte, um eine gefangene Taube zu enthüllen, zog er der Schläferin die Decke weg. Er ließ sich auf sie fallen und drückte sie mit seinem Körper in die Matratze.
    Sie erwachte augenblicklich und versuchte zu schreien, obwohl er ihr mit absoluter Gewißheit den Atem geraubt hatte. Glücklicherweise hatte er ungewöhnlich große und kräftige Hände, und er hatte ihr Gesicht gerade in dem Moment gefunden, in dem sie begonnen hatte, die Stimme zu heben, so daß er in der Lage war, seinen Handrücken unter ihr Kinn zu pressen, seine Finger in ihre Wangen zu krallen und ihr den Mund zuzuhalten.
    »Sei still, sonst bring ich dich um«, flüsterte er und seine Lippen berührten leicht ihre weiche Haut.
    Sie gab dumpfe Laute von sich, die Panik verrieten, und wand sich unter ihm. Erfolglos. Sie fühlte sich wie ein Mädchen an, nicht wie eine Frau, vielleicht nicht jünger als zwölf, gewiß nicht älter als fünfzehn. Auf jeden Fall war sie noch nicht erwachsen.
    »Ich will dir nicht weh tun. Ich will dich nur, und wenn ich mit dir fertig bin, werde ich gehen.«
    Das war eine Lüge, denn er hatte nicht das geringste Verlangen, sie zu vergewaltigen. Sex interessierte ihn nicht. Tatsächlich war es so, daß Sex ihn anekelte. Zum Sex gehörten Flüssigkeiten, deren Namen man nicht aussprechen durfte, Sex war mit dem schamlosen Gebrauch desselben Organs verbunden, das mit dem Urinieren assoziiert war, Sex war ein unbeschreiblich abstoßender, widerwärtiger Akt. Die Faszination, die Sex auf andere Menschen ausübte, bewies Candy lediglich, daß Männer und Frauen einer gefallenen Spezies angehörten und die Welt ein Pfuhl von Sünde und Wahnsinn war.
    Entweder glaubte sie seinem Versprechen, sie nicht zu töten, oder sie war vor Angst halbgelähmt -jedenfalls hörte sie auf, sich ihm zu widersetzen. Möglicherweise brauchte sie auch ihre gesamte Energie, um Luft zu bekommen. Candys ganzes Gewicht -zweihundertzwanzig Pfund – drückte auf ihre Brust und preßte ihre Lungen zusammen. An seiner Hand, mit der er ihr noch immer den Mund zuhielt, konnte er die kühle Luft spüren, wenn sie einatmete, und die kurzen heißen Atemzüge, wenn sie ausatmete.
    Seine Augen hatten sich inzwischen noch besser an das schlechte Licht gewöhnt. Obwohl er ihre Gesichtszüge nach wie vor nicht genau zu erkennen vermochte, konnte er doch sehen, wie ihre Augen in der Finsternis vor Furcht glitzerten. Er konnte auch

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