Ort des Grauens
tiefes Glück, sondern nur die Tünche einer Freude, die zwar die Oberfläche seines Herzens wärmte, das Innere aber kalt und dunkel ließ.
14
Nach nur ein paar Stunden Schlaf wachte Frank Pollard auf dem Rücksitz des gestohlenen Chevy auf. Die Morgensonne, die durch die Fenster einfiel, war so grell, daß er zurückzuckte.
Er war steif, die Knochen taten ihm weh, und er fühlte sich alles andere als ausgeruht. Seine Kehle war trocken, und seine Augen brannten, als hätte er seit Tagen nicht geschlafen.
Stöhnend schwang Frank die Beine vom Sitz, setzte sich auf und räusperte sich. Er merkte, daß seine beiden Hände ganz taub waren. Sie fühlten sich kalt und tot an, und er sah, daß er sie zur Faust geballt hatte. Offenbar hatte er eine Weile in dieser Position geschlafen, denn er konnte die Fäuste zunächst nicht öffnen. Mit ziemlicher Mühe gelang es ihm, die rechte Faust zu lockern - und etwas Schwarzes und Körniges rieselte durch seine Finger.
Perplex starrte er auf die feinen Körner, die auf seine Hosenbeine und auf seinen rechten Schuh gefallen waren. Er hob die Hand zu den Augen, um einen besseren Blick auf die Reste zu haben, die an seiner Handfläche klebten. Das sah aus wie Sand, und es roch auch wie Sand.
Schwarzer Sand? Wo hatte er den her?
Verwirrt schaute er durch das Seitenfenster zu den Wohnhäusern. Er sah grüne Rasenflächen, bei denen dunkler Mutterboden durchschien, wo das Gras spärlicher wuchs, Beete voller Torf und Rotholzspäne, die um einige Büsche gehäuft waren. Aber er sah nichts, was dem ähnelte, was er in seinen festgeschlossenen Fäusten hielt.
Er war in Laguna Niguel, also nahe dem Pazifik. Und der war von breiten Stranden gesäumt. Aber diese Strande waren weiß, nicht schwarz.
Nachdem die Blutzirkulation in seine verkrampften Finger zurückgekehrt war, lehnte er sich in dem Sitz zurück, hob die Hände vors Gesic ht und starrte auf die schwarzen Körnchen, die an seiner schweißnassen Haut klebten. Sand, sogar schwarzer, war eine simple und unschuldige Substanz, doch die Überreste auf seiner Haut ängstigten ihn so tief, als handele es sich um frisches Blut.
»Wer, verdammt nochmal, bin ich, was passiert mit mir?« fragte er sich laut. Er wußte, daß er Hilfe brauchte. Aber er wußte nicht, an wen er sich wenden konnte.
Bobby erwachte vom Rauschen des Santa-Ana-Windes in den Bäumen vor dem Haus. Er pfiff im Dachgesims und um die Zedernholzschindeln herum und entlockte den Dachsparren ein Knarren und Quietschen. Er blinzelte mit vom Schlaf verklebten Augen und spähte an die Decke. Es war 12.07 Uhr. Weil sie manchmal zu den eigenartigsten Stunden arbeiteten und tagsüber schliefen, hatten sie vor den Fenstern Sicherheitsrolläden anbringen lassen, die den Raum in tiefstes Schwarz tauchten. Nur die blaßgrünen Ziffern der Projektionsuhr leuchteten an der Decke wie eine unheilvolle Botschaft aus dem Jenseits.
Weil er erst kurz vor Sonnenaufgang zu Bett gegangen und augenblicklich eingeschlafen war, wußte er, die Zahlen an der Decke konnten nur bedeuten, daß es kurz nach zwölf Uhr mittags war, nicht Mitternacht. Er hatte vielleicht sechs Stunden geschlafen.
Einen Moment lag er unbeweglich da und fragte sich, ob Julie wohl wach war.
»Ich bin's«, sagte sie.
»Du mußt das zweite Gesicht haben«, erwiderte er. »Du hast gewußt, was ich denke.«
»Das ist nicht das zweite Gesicht«, widersprach sie. »Das ist Verheiratetsein.« Er faßte nach ihr, und sie rollte sich in seine Arme. Eine Weile lagen sie nur engumschlungen da, genossen das Gefühl, einander nahe zu sein. Doch dann begannen sie, aus einem gemeinsamen, nicht laut geäußerten Bedürfnis heraus sich zu lieben.
Die grün schimmernden Ziffern der Projektionsuhr waren zu schwach, um die absolute Dunkelheit auch nur ein wenig zu erhellen, so daß Bobby Julie nicht sehen konnte, während sie sich aneinanderklammerten. Er »sah« sie jedoch mit seinen Händen. Während er in der Glätte und Wärme ihrer Haut versunken war, in die eleganten Kurven ihrer Brüste, in die Entdeckung, da Ecken zu finden, wo Eckigkeit wünschenswert war, in die Straffheit ihrer Muskeln und das Fließende ihrer Bewegungen, hätte er genausogut ein Blinder sein können, der die Hände benutzt, um seine innere Vision von idealer Schönheit zu beschreiben.
Die Welt draußen wurde vom Wind im Einklang mit den Höhepunkten geschüttelt, die Julies Körper erschütterten. Und als Bobby sich nicht länger zurückhalten
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