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Ort des Grauens

Ort des Grauens

Titel: Ort des Grauens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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Jahren, war Candy der einzige Name, auf den er hörte.
    Viele Menschen hielten Mord für eine Sünde. Er wußte es besser.
    Einigen wurde eine Vorliebe für Blut in die Wiege gelegt. Gott hatte sie so geschaffen, wie sie waren, und Er erwartete von ihnen, daß sie auserwählte Opfer töteten. Das gehörte alles zu Seinem geheimnisvollen Plan.
    Die einzige Sünde war es, dann zu töten, wenn Gott - und die eigene Mutter - nicht mit dem Opfer einverstanden waren. Und das war genau das, was er zu tun vorhatte. Er schämte sich deshalb. Aber er brauchte es auch.
    Er horchte in das Haus hinein. Stille. Die unwirklichen Schatten der Wohnzimmermöbel drängten sich um ihn wie überirdische, düstere Bestien.
    Er atmete heftig und zitternd und bewegte sich vom Wohn- ins Eßzimmer, von dort in die Küche und die Abstellkammer, dann langsam durch die Halle, die zur Vorderseite des Hauses führte. Er verursachte kein Geräusch, das irgend jemanden hätte aufwecken können, der oben schlief. Er schien eher zu gleiten denn zu gehen, so als sei er ein Phantom und kein richtiger Mensch.
    Am Fuß der Treppe hielt er inne und unternahm einen letzten schwachen Versuch, seinen Zwang, morden zu müssen, zu besiegen. Nachdem der mißlungen war, schüttelte er sich und stieß einen unterdrückten Seufzer aus. Er begann, in den zweiten Stock hochzusteigen, wo die Familie vermutlich schlief.
    Seine Mutter würde ihn schon verstehen und ihm verzeihen.
    Sie hatte ihn gelehrt, daß Töten gut und moralisch war allerdings nur, wenn es nötig war und der Familie nützte. Bei den Gelegenheiten, bei denen er dem puren Drang zu töten nachgegeben und keinen guten Grund gehabt hatte, war sie außerordentlich ärgerlich auf ihn gewesen. Sie hatte ihn, wenn er denn auf Abwege geraten war, nicht körperlich züchtigen müssen, weil die Tatsache, ihr Mißfallen erregt zu haben, ihm mehr Qual bereitete als jede Art von Strafe, die sie ihm hätte auferlegen können. Jedesmal hatte sie sich tagelang geweigert, mit ihm zu sprechen, und infolge dieses strafenden Schweigens war ihm fast das Herz gebrochen. Es schien manchmal so, als krampfe es sich zusammen und weigere sich, weiter zu schlagen. Außerdem schien sie direkt durch ihn hindurchzusehen, so als existiere er gar nicht mehr.
    Wenn die anderen Kinder von ihm sprachen, sagte sie: »Oh, ihr meint euren verstorbenen Bruder Candy, euren armen toten Bruder. Nun, wenn ihr wollt, könnt ihr euch an ihn erinnern und von ihm sprechen, aber nur unter euch nicht in meiner Gegenwart, niemals in meiner Gegenwart, weil ich mich nicht an ihn erinnern will, nicht an diese böse Saat. Er war ein Nichtsnutz, an ihm war überhaupt nichts Gutes. Er wollte nicht auf seine Mutter hören, nein, er glaubte immer, er wisse alles besser. Allein bei der Nennung seines Namens wird mir übel, sein Name erfüllt mich mit Abscheu, also erwähnt ihn lieber nicht vor mir.«
    Jedesmal wenn Candy zeitweilig ins Land der Toten verbannt war, weil er sich schlecht betragen hatte, wurde der Tisch für ihn nicht gedeckt, und er mußte in der Ecke stehen, den anderen beim Essen zusehen, so als sei er ein Geist auf Besuch. Sie gönnte ihm dann kein Lächeln, nicht mal ein Stirnrunzeln. Und sie strich ihm auch nicht mit ihren warmen, weichen Händen übers Haar, streichelte niemals sein Gesicht. Sie ließ nicht zu, daß er sich an sie schmiegte oder seinen müden Kopf an ihre Brust lehnte. Und nachts hatte er allein in einen schlechten Schlaf finden müssen. Da bedachte sie ihn weder mit ihren Gutenacht-Geschichten noch mit ihren süßen Schlafliedern. In den Zeiten dieses totalen Banns lernte er mehr über die Hölle, als er jemals hatte wissen wollen.
    Doch sie würde verstehen, warum er sich heute nacht nicht kontrollieren konnte, und sie würde ihm vergeben. Früher oder später verzieh sie ihm immer, weil die Liebe, die sie ihm entgegenbrachte, wie die Liebe war, die Gott für alle Seine Kinder empfand: perfekt, voller Nachsicht und Gnade. Wenn sie der Meinung war, Candy habe genug gelitten, hatte sie ihn immer wieder angesehen, ihn angelächelt, die Arme weit für ihn ausgebreitet. Hatte sie ihn wieder neu angenommen, hatte er so viel über den Himmel erfahren, wie er wissen mußte.
    Jetzt war sie selbst im Himmel. Seit sieben langen Jahren! Gott, wie er sie vermißte. Aber sie beobachtete ihn sogar in diesem Augenblick. Sie würde wissen, daß er heute die Kontrolle verloren hatte, und sie würde von ihm enttäuscht sein.
    Er stieg die

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