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Ort des Grauens

Ort des Grauens

Titel: Ort des Grauens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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konnte, als er aufschrie und sich in sie ergoß, schrie auch der pfeifende Wind auf, und ein Vogel, der im Dachgesims Zuflucht gesucht hatte, wurde von ihm von seinem Balken gescheucht und verschwand flügelraschelnd mit einem ebenso schrillen Schrei.
    Lange lagen sie nebeneinander in der undurchsichtigen Dunkelheit. Ihr Atem vermischte sich miteinander, und sie berührten einander fast ehrfürchtig.
    Die Aluminiumlamellen der Rolläden vibrierten leicht im böigen Wind.
    Ganz allmählich wichen die angenehmen Erinnerungen an den Sex einem merkwürdigen Unbehagen, dessen Ursache Bobby unerklärlich war. Er begann die Dunkelheit, die ihn einhüllte, als bedrückend zu empfinden, als trüge das völlige Fehlen von Licht dazu bei, die Luft immer dicker werden zu lassen, bis sie schließlich so zäh und unbrauchbar wie Sirup sein würde.
    Obwohl er sie gerade erst geliebt hatte, befiel ihn die merkwürdige Vorstellung, Julie läge gar nicht wirklich neben ihm, er hätte sich mit einem Traum gepaart oder mit der Dunkelheit selbst, die plötzlich Gestalt angenommen hatte, und sie sei ihm in der Nacht gestohlen worden, weggenommen von einer fremden Macht, die er sich nicht erklären konnte, und er bekäme sie nun niemals wieder zurück.
    Er hielt sich zwar für töricht wegen dieser kindischen Furcht, stützte sich dann aber auf einen Ellenbogen und knipste eine der beiden Wandlampen neben dem Bett an.
    Als er Julie sah, die da lächelnd neben ihm lag, ein Kissen unter dem Kopf zusammengeknüllt, fiel die unerklärliche Furcht jäh von ihm ab. Er atmete tief aus und stellte überrascht fest, daß er tatsächlich kurz den Atem angehalten hatte. Trotzdem blieb eine eigentümliche Spannung zurück, und der Anblick von Julie, sicher und unversehrt, wenn man von der Schramme auf ihrer Stirn absah, reichte nicht aus, sich völlig entspannt zu fühlen.
    »Was ist los?« fragte sie, so scharfsichtig wie immer.
    »Nichts«, log er.
»Ein wenig Kopfweh nach all dem Rum im Eiergrog?«
Was ihm Sorgen bereitete, war kein Kater, sondern das  merkwürdige, unerschütterliche Gefühl, daß er Julie verlieren würde, daß etwas aus der feindseligen Welt da draußen erscheinen und sie ihm wegnehmen würde. Als der Optimist in der Familie neigte er gewöhnlich nicht zu bösen Vorahnungen. Daher verstörte ihn dieses eigentümliche Frösteln, diese Angst vor etwas Unbekanntem mehr als jemanden, der regelmäßig Opfer solcher Vorahnungen ist.
    »Bobby?« fragte sie und runzelte die Stirn.
    »Kopfweh«, versicherte er ihr.
    Er beugte sich nieder und küßte sie zart auf die Augen, dann noch einmal. Damit zwang er sie, die Augen zu schließen, so daß sie sein Gesicht nicht sehen und die Angst auf ihm lesen konnte, die er nicht zu verbergen mochte.
    SPÄTER, NACH dem Duschen und Anziehen, nahmen sie, an der Küchentheke stehend, ein schnelles Frühstück ein: Muffins mit Himbeermarmelade, je eine halbe Banane und schwarzen Kaffee. Sie waren sich einig, heute nicht ins Büro zu gehen. Ein kurzer Anruf bei Clint Karaghiosis bestätigte, daß der Decodyne-Fall kurz vor dem Abschluß stand und es auch sonst nichts Dringendes gab, das ihre persönliche Anwesenheit erfordert hätte.
    Ihr Suzuki Samurai wartete in der Garage, und bei seinem Anblick hob sich Bobbys Laune. Der Samurai war ein kleiner sportlicher Jeep mit Vierradantrieb. Seine Anschaffung hatte er vor Julie mit seiner Doppelfunktion gerechtfertigt, den Nützlichkeits- und Freizeitaspekt ausgespielt und besonders den verhältnismäßig vernünftigen Preis betont, aber in Wahrheit hatte er ihn gewollt, weil es ihm Spaß bereitete, ihn zu fahren. Sie hatte sich von seinen Argumenten nicht täuschen lassen, hatte aber zugestimmt, weil auch sie der Meinung war, es bereite Spaß, ihn zu fahren. Diesmal war sie bereit, ihn das Steuer übernehmen zu lassen, als er vorschlug, sie solle fahren.

»Ich bin letzte Nacht genug gefahren«, sagte sie, während sie den Sicherheitsgurt anlegte. Tote Blätter, Zweige, ein paar Papierfetzen und Abfälle, die nicht so leicht zu identifizieren waren, wirbelten über  die windgepeitschten Straßen. Staubwolken wehten aus Osten heran, als sich die Santa-Ana-Winde -so genannt nach den Bergen, aus denen sie kamen - über die Felsklippen und die dürren, stoppelig bewachsenen Hügel ergossen, die die eifrigen Stadtplaner von Orange County noch nicht abgetragen und planiert und mit Tausenden von annähernd identischen Holz-und Stuck-Kisten des kalifornischen

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