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Ort des Grauens

Ort des Grauens

Titel: Ort des Grauens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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und Julie zu Bobby -, gehörte die Tatsache, daß sie sich beide gleichermaßen bewußt waren, wie kurz das Leben ist. Natürlich wußte jedermann, daß das Leben zu kurz ist. Doch die meisten Menschen verdrängten diesen Gedanken und lebten, als hätten sie noch eine endlose Zahl von Sonnenaufgängen vor sich. Wären diese Menschen nicht fähig, sich selbst etwas vorzugaukeln, was den Tod betraf, würden sie sich wahrscheinlich nicht so leidenschaftlich für den Ausgang eines Ballspiels interessieren, für die Handlung einer Seifenoper, das Gequatsche der Politiker oder tausend andere Dinge, die im Grunde bedeutungslos waren, wenn man in Betracht zog, was jedem einzelnen unausweichlich bevorstand, wenn für ihn die endlose Nacht anbrach.
    Sie würden es nicht länger ertragen, auch nur eine Minute damit zu verschwenden, an der Kasse eines Supermarkts zu stehen, und würden nicht länger stundenlang in der Gesellschaft von Langweilern und Dummköpfen leiden. Möglicherweise lag ja eine andere Welt hinter dieser, möglicherweise sogar der Himmel, aber darauf konnte man sich nicht verlassen -rechnen mußte man mit ewiger Dunkelheit. Selbstbetrug war in diesem Fall eine Gnade.
    Weder Bobby noch Julie waren Miesepeter. Sie wußte genausogut wie jedermann, wie man das Leben genießt, und bei ihm war es ebenso, auch wenn keiner von ihnen sich der Illusion von der Unsterblichkeit hingab, die den meisten Menschen als Schutz vor dem Undenkbaren diente. Dieses Bewußtsein äußerte sich nicht in Angst oder Depressionen, sondern in dem festen Entschluß, ihr Leben nicht mit einem Wirrwarr bedeutungsloser Aktivitäten anzufüllen, sondern einen Weg zu finden, um möglichst viel Zeit gemeinsam in ihrem eigenen kleinen Gezeitenpool finanzieren zu können.
    Während ihr kastanienbraunes Haar vom Wind zerzaust wurde, spähte Julie zum fernen Horizont hinüber, der von honiggelbem Licht erfüllt wurde, während die tiefstehende Sonne langsam versank. »Was Thomas die meiste Angst vor einem Leben draußen in der Welt macht, sind die Menschen, zu viele Menschen. Doch in einem kleinen Haus an der See würde er glücklich sein. Ein einsames Stückchen Strand, wenige Menschen, das würde ihm gefallen.«
    »Es wird dazu kommen«, versicherte Bobby.
    »Wenn die Agentur so gut läuft, daß wir verkaufen können, wird die Südküste zu teuer sein. Aber nördlich von Santa Barbara ist's auch schön.«
    »Die Küste ist lang«, sagte Bobby und legte ihr einen Arm um die Schulter. »Wir werden bestimmt noch ein Fleckchen im Süden finden. Und wir werden die Zeit haben, es zu genießen. Wir werden nicht ewig leben, aber wir sind noch jung. Unser Stündlein wird noch lange nicht schlagen.«
    Doch dann erinnerte er sich an die böse Vorahnung, die ihn morgens im Bett gepackt hatte, nachdem sie sich geliebt hatten, an das Gefühl, daß etwas da draußen in der vom Wind gepeitschten Welt sei, das ihm nicht wohlgesonnen war und erscheinen würde, um ihm Julie wegzunehmen.
    Die Sonne hatte den Horizont erreicht und begann, mit ihm zu verschmelzen. Das goldene Licht vertiefte sich rasch, wurde erst orangerot, dann blutrot. Das Gras und das Unkraut hinter ihnen raschelten im Wind, und Bobby schaute über die Schulter, beobachtete die Spiralen durch die Luft fliegenden Sandes, die über die Düne wirbelten, die den Strand und den Parkplatz trennte. Sie sahen aus wie bleiche Geister, die bei Einbruch der Dämmerung dem Friedhof entflohen. Von Osten senkte sich eine Mauer der Nacht über die Welt. Die Luft war ausgesprochen kalt geworden.

18
    Candy schlief den ganzen Tag im Schlafzimmer an der Vorderseite des Hauses, das einst seiner Mutter gehört hatte, und atmete ihren ganz besonderen Duft. Zwei-, dreimal pro Woche schüttete er behutsam ein paar Tropfen ihres Lieblingsparfüms -Chanel No. 5 -auf ein weißes Taschentuch mit Spitzenborte, das er immer auf die Kommode neben ihre silberne Bürste und den silbernen Kamm legte. So erinnerte ihn jeder Atemzug, den er in diesem Raum tat, an sie. Ein paarmal war er aus dem Schlummer aufgewacht, um die Kissen zu richten oder die Decke enger um sich zu ziehen, und der Duft des Parfüms hatte ihn immer wieder eingelullt, als wäre er ein Tranquilizer; und jedesmal war er glücklich wieder in den Schlaf gefallen.
    Er schlief in einer Trainingshose und einem T-Shirt, weil es schwierig war, Pyjamas in seiner Größe zu finden, und weil sein Schamgefühl es ihm verbot, nackt oder auch nur in seiner Unterwäsche zu

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