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Ort des Grauens

Ort des Grauens

Titel: Ort des Grauens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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die Katzen heraufhuschten, und aus Angst, auf eine ihrer Pfoten oder einen der Schwänze zu treten, blieb er kurz vor der Treppe stehen, während sie sich in den oberen Flur ergossen. Nur Augenblicke später hatten sie die oberste Stufe erreicht und umschwärmten ihn: sechsundzwanzig, wenn seine letzte Zählung nicht bereits überholt war. Elf waren schwarz, einige schokoladen-oder tabakbraun oder grau wie ausgebrannte Holzkohle, zwei waren von einem tiefen Goldton, und nur eine war weiß. Violet und Verbina, seine Schwestern, bevorzugten dunkle Katzen, je dunkler, desto besser.
    Die Tiere kreisten ihn ein, strichen über seine Schuhe, rieben sich an seinen Beinen, ringelten die Schwänze um seine Fußgelenke. Unter ihnen waren zwei Angorakatzen, ein Abessinier, eine schwanzlose Manx, eine Malteser-und eine Schildpattkatze, doch die meisten waren normale Hauskatzen ohne erkennbaren Stammbaum. Einige hatten grüne Augen, einige gelbe, andere silbergraue, wieder andere blaue, und sie alle betrachteten ihn mit großem Interesse.
    Nicht eine von ihnen schnurrte oder miaute. Die Inspektion wurde in absoluter Stille durchgeführt.
    Candy mochte Katzen nicht besonders, tolerierte diese aber nicht nur deshalb, weil sie seinen Schwestern gehörten, sondern weil sie im wahrsten Sinn des Wortes ein Anhängsel von Violet und Verbina waren. Sie zu verletzen, sie mit harten Worten zu verjagen, wäre das gleiche, als würde er seine Schwestern schlagen, etwas, das er niemals tun würde, weil ihn seine Mutter auf ihrem Totenbett gemahnt hatte, für die Mädchen zu sorgen und sie zu beschützen.
    Es dauerte nicht mal eine Minute, bis die Katzen ihre Mission erfüllt hatten und sich von ihm abwandten. Sie ließen die Schwänze schwirren, die Muskeln spielen, was ihr Fell in wellenartige Bewegungen versetzte, und stolzierten als wären sie ein einziges Tier -zum Treppenabsatz und dann hinunter.
    Zu dem Zeitpunkt, da er die erste Stufe erreichte, waren sie in der unteren Halle angelangt, drehten sich noch einmal um und entschwanden aus seinem Blickfeld. Er ging in die Diele hinunter, und die Katzen waren weg. Er durchquerte den unbeleuchteten und moderig riechenden Salon. Aus dem Arbeitszimmer drang ein schimmeliger Gestank. Die Regale dort waren voll von den Liebesromanen, die seine Mutter so gern gelesen hatte, und die inzwischen ganz stockfleckig und zerfallen waren. Als er durch das schwach beleuchtete Eßzimmer ging, knirschten Krümel unter den Sohlen seiner Schuhe.
    Violet und Verbina waren in der Küche. Sie waren eineiige Zwillinge. Beide gleichermaßen blond, hatten sie die gleiche helle, makellose Haut, die gleichen kobaltblauen Augen, die gleiche glatte, hohe Stirnpartie, hohe Wangenknochen, gerade Nasen mit zart modellierten Nasenflügeln, Lippen, die auch ohne Lippenstift natürlich rot waren, und kleine ebenmäßige Zähne, so strahlend weiß wie die ihrer Katzen. Candy hatte versucht, seine Schwestern zu mögen und war gescheitert. Wegen seiner Mutter konnte er sie nicht nicht mögen, also blieb er neutral und teilte das Haus mit ihnen, aber eben nicht so, als wären sie eine richtige Familie. Seiner Meinung nach waren sie zu dünn, wirkten zart, fast zerbrechlich. Und sie waren zu blaß - wie Kreaturen, die nur selten in die Sonne gingen. Sie wärmte sie tatsächlich kaum einmal, weil sie das Haus nur hin und wieder kurz verließen.
    Ihre schlanken Hände waren gut manikürt, denn sie pflegten sie so penibel, als wären auch sie Katzen. Candy erschienen ihre Finger allerdings übertrieben lang, unnatürlich biegsam und geschickt. Ihre Mutter war robust gewesen, hatte energische Züge und immer eine gute Farbe gehabt, und Candy fragte sich oft, wie eine so vitale Frau dieses blasse, farblose Pärchen hatte hervorbringen können.
    Die Zwillinge hatten in einer Ecke der großen Küche sechs Baumwolldecken aufeinandergestapelt, um ein Plätzchen zu schaffen, wo die Katzen es sich gemütlich machen konnten, obwohl die Polsterung eigentlich für Violet und Verbina selbst gedacht war, damit sie stundenlang mit ihren Katzen da sitzen konnten. Als Candy die Küche betrat, saßen sie tatsächlich da und hatten die Katzen um sich geschart, einige saßen auch auf ihrem Schoß. Violet feilte Verbinas Fingernägel mit einer Papierfeile.
    Keine seiner Schwestern schaute auf, denn ihrer Meinung nach hatten sie ihn ja bereits begrüßt - durch die Katzen, die ihm entgegengeeilt waren. Verbina hatte niemals ein Wort gesprochen, solange

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