Ort des Grauens
Hoffnung auf die hohe Kante gelegt, später von den Spargroschen ein kleines Haus kaufen und Thomas zu sich nehmen zu können.
Kurz nach ihrer Heirat, als aus Dakota Investigations Dakota & Dakota geworden war, hatten sie Thomas zu sich geholt. Aber ihre Arbeitszeiten waren unregelmäßig gewesen, und Thomas brauchte jemanden, der ständig bei ihm war, obwohl einige DS-Opfer durchaus in der Lage sind, bis zu einem gewissen Grade allein zu bleiben. Die Kosten, die qualifizierte Kräfte, die zudem noch in drei Schichten arbeiten mußten, verursachten, waren sogar noch höher als die, die in einem hochrangigen Pflegeheim wie Cielo Vista entstanden.
Dennoch -sie hätten sie getragen, hätten sie überhaupt genügend verläßliche Hilfskräfte gefunden. Als es ihnen unmöglich wurde, den Geschäftsbetrieb aufrechtzuerhalten, ihr eigenes Leben zu führen und sich um Thomas zu kümmern, brachten sie ihn nach Cielo Vista. Es war eines der besten Pflegeheime, die existierten, trotzdem sah Julie seine Unterbringung dort als zweiten Verrat an ihrem Bruder an. Die Tatsache, daß er in Cielo Vista glücklich war, dort sogar aufblühte, vermochte nicht, ihr Schuldgefühl zu mindern.
Ein Teil »des Traums«, ein wichtiger Teil, war es, die Zeit und die finanziellen Möglichkeiten zu haben, um Thomas wieder nach Hause zu holen.
Bobby schaute in dem Augenblick von dem Album auf, als Julie fragte: »Thomas, hast du Lust, für ein Weilchen mit uns spazierenzugehen?«
Thomas und Julie hielten sich noch immer bei den Händen, und Bobby sah, wie der Griff seines Schwagers fester wurde beim Vorschlag, einen Ausflug zu unternehmen.
Wir könnten auch nur ein wenig mit dem Auto fahren«, schlug Julie vor. »Zum Meer hinunter. Am Strand entlanglaufen. Ein Eis kaufen. Was hältst du davon?«
Thomas blickte nervös zum Fenster, in dem ein Teil des blauen Himmels zu sehen war. Weiße Möwen sausten daran vorbei, vollführten Luftsprünge. »Es ist schlecht draußen.«
»Nur ein bißchen windig, Schatz.«
»Ich meine nicht den Wind.«
»Wir werden Spaß haben.«
»Es ist schlecht draußen«, wiederholte er. Er kaute auf seiner Unterlippe herum.
Manchmal war er begierig darauf, die Welt da draußen zu erkunden, doch bei anderen Gelegenheiten zuckte er allein bei der bloßen Aussicht zurück, als sei die Luft außerhalb von Cielo Vista das reinste Gift. Mit Thomas konnte man niemals streiten, wenn er in dieser agoraphobischen Stimmung war, man konnte ihn auch nicht beschwatzen. Julie wußte das genau. Sie ließ das Thema fallen.
»Vielleicht beim nächsten Mal«, sagte sie.
»Vielleicht«, erwiderte Thomas und sah zu Boden. »Aber heute ist es wirklich schlecht. Ich ... kann es irgendwie fühlen ... das Schlechte ... es überläuft mich eiskalt.«
Eine ganze Weile probierten Bobby und Julie es mit den verschiedensten Themen, aber Thomas hatte nichts mehr zu sagen. Er sprach kein Wort, schaute ihnen nicht in die Augen, und nichts ließ ahnen, ob er sie überhaupt hörte.
Schweigend saßen sie beieinander. Nach ein paar Minuten rang sich Thomas dann schließlich durch. »Geht noch nicht«, sagte er.
»Wir gehen nicht«, versicherte Bobby.
»Kann einfach nicht reden - heißt aber nicht, daß ich will, daß ihr geht.«
»Das wissen wir doch, Kleiner«, entgegnete Julie.
»Ich - brauche dich.«
»Ich brauche dich auch«, sagte Julie. Sie hob eine der Hände ihres Bruders an die Lippen und küßte die Knöchel seiner dicklichen Finger.
16
Nachdem er in einem Drugstore einen Elektrorasierer gekauft hatte, rasierte und wusch sich Frank Pollard im Waschraum einer Tankstelle, so gut er konnte. Dann hielt er bei einem Einkaufszentrum und kaufte einen Koffer, Unterwäsche, Strümpfe, einige Hemden, ein zweites Paar Jeans und ein paar Kleinigkeiten. Auf dem Parkplatz des Einkaufszentrums packte er seine neuen Errungenschaften in den Koffer. Der gestohlene Chevy schaukelte leicht im böigen Wind. Danach fuhr er zu einem Motel in Irvine, wo er die Ausweispapiere benutzte, die er besaß, und unter dem Namen George Farris eincheckte. Die Vorauszahlung leistete er bar, weil er keinerlei Kreditkarten besaß. Bargeld hatte er dagegen in Hülle und Fülle.
Er hätte zwar in der Gegend von Laguna bleiben können, war aber der Meinung, er solle sich nicht zu lange an einem Ort aufhalten. Möglicherweise beruhte seine Vorsicht ja auf schlechten Erfahrungen. Oder vielleicht war er schon so lange auf der Flucht, daß er zum Vagabunden geworden war,
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