Ort des Grauens
Rißwunde in den dunklen Wolken, die ihm für einen kurzen Augenblick wie der pulsierende Körper eines gottähnlichen Wesens erschien, und durch das vom Blitz wie von einer Axt gespaltene Fleisch meinte er kurz das strahlende Geheimnis dahinter zu erblicken.
29
Clint hasste die Regenzeit in Südkalifornien. Die meiste Zeit des Jahres war es trocken, und während der immer wieder unterbrochenen Dürreperioden der letzten zehn Jahre hatte es in manchen Wintern nur einige Stürme gegeben. Wenn der Regen schließlich fiel, schienen die Ortsansässigen völlig vergessen zu haben, wie man dabei Auto fährt. Während die Gullys überflössen, staute sich der Verkehr in den Straßen. Die Freeways waren noch schlimmer. Sie sahen aus wie unendlich lange Autowaschanlagen, bei denen die Transportbänder kaputt gegangen waren.
Das graue Licht dieses Montagnachmittags war bereits im Schwinden, als er zu den Palomar-Laboratorien in Costa Mesa fuhr. Sie waren in einem riesigen, flachen Betonklotz untergebracht, einen Block westlich der Bristol Avenue. Die medizinische Abteilung analysierte unter anderem Blutproben, Pap-Abstriche und Biopsien, doch es wurden auch industrielle und geologische Analysen aller Art vorgenommen.
Seinen Chevy parkte er auf dem dazugehörigen Parkplatz. Mit einer Plastiktüte aus dem Supermarkt in der Hand stapfte er durch die tiefen Pfützen, den Kopf gesenkt, um sich vor dem niederprasselnden Regen zu schützen. Vor Nässe triefend, betrat er dann die kleine Eingangshalle.
Eine attraktive junge Blondine saß auf einem Stuhl hinter dem Empfangspult. Sie trug eine weiße Uniform und darüber eine purpurfarbene Strickjacke. »Sie hätten einen Schirm mitnehmen sollen«, sagte sie.
Clint nickte, stellte die Supermarkttüte auf die Theke und begann die Knoten in den Bändern zu lösen, um sie zu öffnen.
»Zumindest einen Regenmantel«, fuhr sie fort.
Aus der Innentasche seines Jacketts zog er eine Dakota & Dakota Geschäftskarte und schob sie zu ihr hinüber.
»Ist das die Adresse, an die die Rechnung gehen soll?« erkundigte sie sich.
»Klar.«
»Haben Sie unsere Dienste schon früher in Anspruch genommen?«
»Sicher.«
»Sie haben ein Kundenkonto?«
»Klar.«
»Ich hab' Sie hier noch nie gesehen.«
»Nein.«
»Mein Name ist Lisa. Ich bin erst seit einer Woche hier.
Ich habe noch niemals einen Privatdetektiv hier gesehen.«
Aus dem großen weißen Sack zog er drei kleinere durchsichtige Plastiktüten, die er ordentlich vor sich aufreihte. »Haben Sie auch einen Namen?« fragte sie, legte den Kopf schief und lächelte ihn strahlend an. »Clint.« »Wenn Sie bei diesem Wetter ohne Schirm und Regen
mantel herumlaufen, Clint, werden Sie sich den Tod holen, und wenn sie noch so robust wirken.«
»Zuerst das Hemd«, sagte Clint und schob ihr den Beutel zu. »Wir brauchen eine Analyse der Blutspuren. Nicht nur eine Typisierung. Wir wollen das ganze Spektrum. Eine komplette Analyse der genetischen Seite. Nehmen Sie Proben von vier verschiedenen Stellen des Hemdes, weil es möglich ist, daß das Blut auf dem Hemd nicht nur von einer einzigen Person stammt. Sollte das zutreffen, brauchen wir auch da eine komplette Aufschlüsselung.«
Lisa schaute erst Clint und dann das Hemd stirnrunzelnd an. Zögernd begann sie einen Analyse-Auftrag auszufüllen.
»Dasselbe Programm hierfür«, sagte er und schob ihr die zweite Tüte hin. Sie enthielt ein zusammengefaltetes Blatt des Dakota & Dakota Geschäftspapiers, das mit etlichen Blutspritzern besprenkelt war. Julie hatte im Büro eine Stecknadel über einer Feuerzeugflamme sterilisiert, sie in Frank Pollards Daumen gestochen und dann die scharlachroten Proben auf das Papier gepreßt. »Wir wollen wissen, ob Teile des Blutes auf dem Hemd zu diesem hier passen.«
Der dritte Beutel enthielt schwarzen Sand. »Ist das einen biologische, eine physiologische Substanz?« fragte Lisa.
»Keine Ahnung. Sieht wie Sand aus.«
»Denn wenn es eine physiologische Substanz ist, sollte es an unsere medizinische Abteilung gehen, ist es keine physiologische, sollte es in die industrielle gehen.«
»Schicken Sie beiden ein bißchen. Und zwar auf dem schnellsten Weg, es eilt.«
»Kostet mehr.«
»Wenn schon.«
Während sie das dritte Formular ausfüllte, sagte sie: »Auf Hawaii gibt es ein paar Strande mit schwarzem Sand. Sind Sie jemals dagewesen?«
»Nein.«
»Kaimu. Das ist der Name von einem dieser schwarzen Strande. Kommt von einem Vulkan irgendwie. Der Sand,
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