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Oryx und Crake

Oryx und Crake

Titel: Oryx und Crake Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margaret Atwood
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denken!
    Verbissen wandert er weiter, murmelt vor sich hin. Der Wald verschluckt seine Stimme, die Wörter strömen aus ihm heraus wie eine Schnur farb- und tonloser Blasen, wie die Luft aus dem Mund eines Ertrinkenden. Gelächter und Gesang verklingen hinter ihm. Bald kann er sie gar nicht mehr hören.

SoLecker
    Jimmy und Crake schlossen die HelthWyzer High an einem warmen, feuchten Tag Anfang Februar ab. Normalerweise fand die Zeremonie im Juni statt, weil das Wetter dann sonnig und mild war. Inzwischen aber war der Juni an der gesamten Ostküste zum Regenmonat geworden, und Veranstaltungen im Freien waren unmöglich, vor allem bei diesen Gewitterstürmen. Sogar der Februar war riskant: Haarscharf, um nur einen Tag, waren sie einem Wirbelsturm entgangen.
    An der HelthWyzer High hielt man es mit der Tradition, hatte Zelte aufgestellt und Markisen gespannt, die Mütter trugen Blumenhüte und die Väter Panamas, es gab Punsch mit Fruchtaroma, mit und ohne Alkohol, Happicuppa-Kaffee und kleine Plastikbecher SoLecker-Eis, eine HelthWyzer-Eigenmarke in den Geschmacksrichtungen Schokosoja, Mangosoja und Gerösteter-Löwenzahn-Grüntee-Soja. Es war ein festlicher Anblick.
    Crake war Klassenbester. Bei der Auktion rissen sich die rivalisierenden UniKomplexe um ihn, und schließlich ergatterte ihn das Watson-Crick-Institut zu einem hohen Preis. Einmal dort Student gewesen, und die Zukunft war gesichert. Es war wie Harvard früher, bevor es im Atlantik versank.
    Jimmy hingegen war im mittleren Bereich, hatte gute Noten in Sprachen und Literatur, aber in den mathematischen Fächern war er unterer Durchschnitt. Und auch die wirklich bescheidenen Mathenoten hatte er nur Crake zu verdanken, der Jimmy an den Wochenenden trainiert hatte, was auf Kosten seiner eigenen Vorbereitungszeit ging.
    Crake hatte die Paukerei allerdings auch nicht nötig, er war eine Art Mutant, der noch im Schlaf Differentialgleichungen ausspucken konnte.
    »Warum tust du das?«, fragte Jimmy mitten in einer zermürbenden Sitzung. (Du musst es anders betrachten. Du musst die Schönheit erfassen. Das ist wie Schach. Hier – versuch’s mal so. Siehst du?
    Erkennst du das Muster? Jetzt wird alles klar, oder? Aber Jimmy erkannte nichts, und nichts wurde klar.) »Warum hilfst du mir?«
    »Weil ich ein Sadist bin«, sagte Crake. »Ich seh dich gern leiden.«

    »Ich weiß es jedenfalls zu schätzen«, sagte Jimmy. Er war ihm tatsächlich dankbar, aus mehreren Gründen, und der beste war: Weil Crake ihm offiziell Nachhilfe gab, hatte Jimmys Vater keinen Grund zu nörgeln.
    Hätte Jimmy eine Modul-Schule besucht oder, noch besser, eine dieser Mülltonnen, die sie noch immer »das öffentliche Schulsystem« nannten, hätte er gefunkelt wie ein Diamant in der Gosse. Aber an den Komplex-Schulen wimmelte es von brillanten Genen, von denen ihm seine langweiligen, kleinkarierten Eltern leider keines vererbt hatten, und der Vergleich mit seinen Mitschülern ließ seine Begabungen schrumpfen.
    Dass er den Witzbold spielte, hatte ihm auch keine Extrapunkte eingetragen. Inzwischen war er ohnehin nicht mehr sehr witzig: Er hatte das Interesse am Publikum verloren.
    Nach einer erniedrigenden Wartezeit, während sich die besten UniKomplexe um die Geistesgrößen rissen, die Zeugnisse der Mittelmäßigen mit spitzen Fingern angefasst und überflogen wurden, Kaffeeflecken bekamen und versehentlich zu Boden flatterten, wurde Jimmy endlich der Martha-Graham-Akademie zugeschlagen; und auch das erst nach einer langen Phase lustloser Gebote. Zu schweigen von einem gewissen Druck, argwöhnte Jimmy, von Seiten seines Vaters, der den Präsidenten von Martha Graham von einem gemeinsamen Sommer-Camp vor Urzeiten her kannte und wahrscheinlich irgendetwas gegen ihn in der Hand hatte: Vielleicht hatte er kleine Jungen befummelt oder nebenbei Schwarzhandel mit Medikamenten getrieben. Dieser Verdacht jedenfalls drängte sich Jimmy angesichts des ungnädigen und übertrieben kräftigen Händedrucks bei der Begrüßung auf.
    »Willkommen an der Martha Graham, mein Junge«, sagte der Präsident mit dem falschen Lächeln eines Vitaminpräparatevertreters.
    Wann kann ich endlich aufhören, »mein Junge« zu sein, dachte Jimmy.
    Noch nicht. Ach, noch nicht.
    »Gut gemacht, Jimmy«, sagte sein Vater auf der anschließenden Gartenparty und boxte wie üblich seinen Oberarm. Er hatte einen Klecks Schokosoja auf seiner idiotischen Krawatte mit geflügelten Schweinen. Bitte jetzt keine Umarmung, betete

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